Ein bretonisches Erbe
jedem Eindringling – außer ihm natürlich – an die Kehle gehen würde.
Nun, jetzt konnte er sie damit nicht mehr erschrecken und so ging sie neugierig weiter.
Sie war ehrlich erstaunt, wie groß die Grotte war. Durch eine schräge Spalte war sie in eine richtige Halle gelangt, in deren Mitte ein paar riesige Felsblöcke lagen. Die enorme Höhe der Wände war Ehrfurcht gebietend und der Temperaturunterschied zum sonnigen Strand war so groß, dass sie eine Gänsehaut bekam.
Yuna schaute sich im Dämmerlicht um, fand es aber eher unwahrscheinlich, dass Emory sich hierher verirrt hatte und was ihren Bruder und seine Freunde an diesem ungemütlichen Ort so begeistert hatte, wollte ihr auch nicht recht einleuchten.
Sie durchquerte den Felsendom bis zu einer weiteren Spalte, die noch tiefer in die Höhle hineinführte. Aber da ihr nun wieder die Warnung ihres Bruders vor dem Seeräuberskelett einfiel, beschloss sie die Expedition hier abzubrechen. Nicht dass sie da irgendwelche Befürchtungen gehabt hätte… Nein…Es war einfach nur ungemütlich kalt und sie musste ihren Forscherdrang ja auch nicht gleich übertreiben. Nicht auszudenken, wenn sie sich hier drin einen Schnupfen holte und Julien nur noch mit triefender Nase küssen konnte!
Sie vermisste ihn auch bereits und so drehte sie um und machte sich durch das Halbdunkel an den großen Felsen in der Mitte der Grotte vorbei auf den Rückweg zum Eingang. Von oben fiel durch einen Spalt ein heller Streifen Sonnenlicht und als sie ihm mit dem Blick bis auf einen der Felsen folgte, hielt sie verblüfft inne, denn er fiel auf eine glattpolierte Inschrift. Das war ja erstaunlich! Sie trat näher heran und betrachtete die sorgfältige Steinmetzarbeit. Zugleich erfasste sie eine unerklärliche Erregung und sie merkte, wie ihr der kalte Schweiß ausbrach.
In dem Sonnenstrahl, der die Inschrift wie ein Scheinwerferspot für sie erhellte, schimmerten sorgfältig aus dem Felsen heraus gemeißelte Zahlen und Ziffern. Und vor ihrem ungläubigen Blick formierten sich diese zu einem Datum. Dem 6.Juli 1943. Sie stieß erschüttert die Luft aus, denn sie kannte es nur zu gut.
Es war das Geburtsdatum… ihres Vaters.
Nach dieser Erkenntnis, machte Yuna auf dem Absatz kehrt und stürzte gehetzt aus der Höhle. Was für ein unheimlicher Zufall!
Im hellen Sonnenschein auf dem kleinen Plateau vor dem Eingang angekommen, war sie einige Sekunden wie geblendet, fühlte aber dankbar die wärmenden Strahlen der Sonne auf ihren nackten Armen, die immer noch von einer Gänsehaut überzogen waren.
Zu ihrer Erleichterung sprang ihr der Ausreißer Emory freudig entgegen. Wenigstens um den musste sie sich nun nicht mehr sorgen. Wo steckte Julien denn wohl? Gerne wäre sie direkt in seine Arme gesunken, hatte aber im Moment nicht die Kraft ihn zu suchen.
Innerlich noch durch diese merkwürdige Übereinstimmung aufgewühlt, ließ sie sich erst einmal auf die warmen Felsen sinken, nahm den Hund in den Arm und begann ihn mechanisch zu streicheln. Er bemerkte jedoch sehr schnell ihre Geistesabwesenheit und, nachdem sie auf mehrmaliges Stupsen mit der Schnauze nicht reagierte, befreite sich und sprang wieder davon.
Es war Juliens Stimme, die sie schließlich aus diesem merkwürdigen tranceartigen Zustand zurückholte.
„Yuna!“, hörte sie ihn ganz in der Nähe rufen, „Yuna, wo steckst du! Schau mal, was ich habe!“
Wenig später tauchte sein dunkler Haarschopf zwischen den Felsen auf und seine blauen Augen blitzten sie strahlend an. In der einen Hand trug er tatsächlich, fachmännisch am hinteren Rand des Panzers gepackt, einen richtig fetten Taschenkrebs, der hilflos mit seinen großen Scheren in der Luft herum ruderte.
Na, dann war sein Ehrgeiz ja befriedigt und der Tag gerettet!
„Wie hast du das denn geschafft?“, fragte sie, um ihm Gelegenheit zu geben, noch ein bisschen mit seinem tollen Fang zu prahlen.
So hatte sie selbst auch noch etwas mehr Zeit, um nach dieser makaberen Entdeckung erst einmal wieder zu sich zu kommen. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei gehabt und war ungewöhnlich stark davon berührt worden, obwohl sie sonst eher nichts mehr so leicht an sich herankommen ließ.
Noch immer leicht geistesabwesend schaute sie zu, wie Julien Emory neckend mit dem Krebs vor der Schnauze herum wedelte. Das gefiel dem aber gar nicht und er begann erst zu knurren und schließlich laut und aufgeregt zu bellen. Der Krebs war ihm offenbar höchst suspekt.
„Den nehmen wir
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