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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Menton
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Vergangenheit aus? Würde sie zu einer Gefahr für ihre Liebe werden, wenn sie ihre finsteren Schatten bis in die Gegenwart warf?

    „Was haben die Deutschen den Bretonen angetan?“, fragte Yuna am nächsten Morgen, als sie mit Julien im Bett einen ersten Café trank.
    „Spielst du auf Großvaters gestrigen Ausbruch an?“, ahnte er sofort den Grund ihrer Frage. Sie nickte.
    „Ja, das lässt mich nicht ruhen. Es war so unvermittelt, als hätte mir jemand eine Keule über den Kopf gezogen.“
    „Dafür siehst du aber noch ganz passabel aus“, meinte er neckend, um dann ernster hinzuzufügen. „Er ist nicht immer so, auch nicht wenn er getrunken hat. Aber generell gewinnen bei alten Menschen die Erinnerungen aus ihrer Jugend an Bedeutung. Sie sind oft erstaunlich frisch und besonders, wenn sehr schwerwiegende Erfahrungen damit verbunden waren, kommen sie immer wieder hoch.
    Du solltest das nicht persönlich nehmen, Yuna. Du kennst doch den scheußlichen Betonbunker am Weststrand. Ein unschönes Überbleibsel der Besetzung der Bretagne durch deutsche Truppen.
    Nazideutschland versuchte auch an dieser Küste eine Verteidigungslinie gegen England aufzubauen. Was die freiheitsliebenden Bretonen natürlich nicht akzeptieren konnten. Und so war es eine Frage der Ehre, die deutschen Besatzungstruppen aus dem Land zu treiben oder ihnen, wo es nur irgend ging, Schaden zuzufügen. Die Résistance im Untergrund, hatte Mitglieder in jedem Ort. Aber das hat natürlich nichts mit dir zu tun. Mein Großvater kennt dich doch von klein auf und mag dich sehr.“
    „War er auch in dieser Widerstandsorganisation?“
    Julien nickte. „Er war einer der führenden Köpfe hier in der Gegend.“
    „Aber wenn es so war, wie konnte er dann mit meinem Großvater befreundet sein, wo der doch zu den Besatzern gehörte?“ Yuna verstand Juliens Großvater wirklich nicht. Entweder hatte man verziehen oder man freundete sich nicht mit ehemaligen Feinden an.
    Doch was das betraf, wusste Julien auch nicht weiter.
    „Etwas muss geschehen sein, was diese Männerfreundschaft über die Kriegsfeindschaft hinweg möglich gemacht hat“, sagte er, „aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, was es gewesen sein könnte“
    „Meinst du das Datum ist ein Hinweis darauf? Kannst du dir vorstellen, dass an diesem 6.Juli 1943 etwas passiert ist, was deinen und meinen Großvater in gleicher Weise betroffen hat und was das Fundament für ihre Freundschaft gelegt hat?“
    Julien zuckte die Achseln. „Es ist ein schöner Gedanke, aber ich weiß es wirklich nicht. Das einzige, was ich tun kann ist, meinen Großvater zu fragen, aber ich kann nicht versprechen, dass er mir auch antworten wird.“
    Yuna legte sich in Juliens Arm zurück und schloss für einen Moment die Augen. Sie dachte an den letzten Brief, den ihr Großvater ihr geschrieben hatte und in dem er die Kraft der Liebe beschwor, welche über alles Trennende hinweg die Menschen eint, egal welcher Nation und welcher Geburt sie auch sein mögen.
    Hatte er damit auf ein konkretes Ereignis angespielt, welches hier am 6.7.1943 stattgefunden hatte und das ganz offensichtlich mit dem Tod dieser geheimnisvollen Marie van Veen zusammenhing? Was konnte sie mit der lebenslangen Freundschaft zwischen ihm und Juliens Großvater zu tun haben? Teilten sie sich vielleicht eine schwere Schuld?

    Der Sturm tobte noch zwei Tage und raubte Yuna mit den unaufhörlich gegen die Klippen brandenden Wellen in der nächsten Nacht den Schlaf.
    Julien machte einen Besuch bei einem Freund in Brest und würde erst am nächsten Tag zurückkommen. Es war erstaunlich, wie sehr er ihr fehlte.
    Sie hatte den Tag nutzen wollen, um ein wenig Ordnung im Atelier ihres Großvaters zu schaffen, war dann aber vor der Kälte und klammen Feuchtigkeit, die dort herrschte, zurückgeschreckt.
    Ihr war jedoch aufgefallen, dass es relativ gut aufgeräumt war und nur noch wenige Statuen, bis auf einige angefangene Kunstwerke, dort lagerten. Auf einem großen Ateliertisch mit einer dicken Holzplatte standen einige verkleinerte Modelle nach Entwürfen, die ihr Großvater offenbar nicht mehr vollendet hatte. Sie waren aus weichem Stein, der leicht zu bearbeiten war und es reizte sie, sich daran ein wenig zu versuchen. Oft genug hatte sie ihrem Großvater ja bei seiner Arbeit zugesehen.
    Sie suchte nach Werkzeug, gab aber rasch auf, als sie merkte wie ihr schon jetzt von der Kälte die Finger steif wurden. Nein, das war kein Tag für diese Dinge. Sie

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