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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Menton
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Wasser füllte die Bucht nun ziemlich rasch auf und so schlenderten sie zurück an den Kai, wo viele Menschen in rege Gespräche vertieft standen oder an den hübschen, kunstgewerblichen Ständen vorbei flanierten. Der Stand mit der Wolle von Juliens Großmutter befand sich neben einem großen Loch in der Umfriedungsmauer eines düster wirkenden Landhauses.
    „Das war die Frühjahrsflut“, erklärte Julien. „Sie hat im April große Schäden angerichtet. Auch die Uferpromenade von St. Laurent wurde unterspült, ganze Abschnitte stürzten ein und wurden ins Meer gerissen.
    „Das muss schlimm gewesen sein“, meinte Yuna mitfühlend und zugleich beeindruckt von der Kraft, die das Meer entfalten konnte, wenn es einmal in Rage geraten war. Genau wie Loti es beschrieben hatte.
    „Auch auf dem Gut meiner Großeltern wurde ein Teil der Umfriedung fortgerissen“, bestätigte Julien Yunas Eindruck noch durch seine eigenen Erfahrungen, die er während der Ostertage in Le Ro gemacht hatte. „Der ganze Garten war voll Wasser gelaufen und natürlich auch alle Keller. Die Ziegen und Schafe konnten tagelang ihre Ställe nicht benutzen und weil es draußen zu kalt war, haben meine Großeltern sie in der großen Halle des Haupthauses untergebracht.“
    Bei dieser Vorstellung musste Yuna nun aber lachen.
    „Das war bestimmt sehr lustig“, meinte sie amüsiert. „Da wäre ich gerne dabei gewesen. Blökende Schafe und meckernde Ziegen in den edlen Hallen stelle ich mir sehr witzig vor.“
    Julien nickte. „War es in gewisser Weise wirklich, nur meine Großeltern waren nicht so sehr entzückt.“
    Er ging zu seiner Großmutter hinüber, die am Stand mit eine anderen alten Dame ganz offensichtlich in ein angeregtes Gespräch vertieft war, und ihren Enkel und Yuna noch gar nicht bemerkt hatte. Julien drückte ihr einen leichten Kuss auf die runzelige Wange, worauf sie ihn bat, doch mal nach seinem Großvater zu sehen.
    „Das sollten wir wirklich tun“, meinte er zu Yuna. „Wo er wohl steckt? Hoffentlich nicht bei seinen Veteranen. Ich habe Großmutter versprochen darauf zu achten, dass Großvater nicht zu viel trinkt. Bei solchen Festen fließt der Wein reichlich und auch der bretonische Honigschnaps wird von den alten Männern gerne getrunken.“
    Zwar verstand Yuna nicht, warum ein alter Herr an einem solchen Tag nicht auch mal ein bisschen was trinken durfte, aber wenn Juliens Großmutter meinte…
    Sie entdeckten Juliens Großvater an einem der Zelte der Anciens Marins. Er war im Gespräch mit ein paar Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg, redete ziemlich laut und erregt und hatte eine rote Nase, die einem schon von weitem entgegen leuchtete. Offenbar hatte er tatsächlich ordentlich ins Glas geguckt.
    Als Julien und Yuna zu ihm traten und sie ihn höflich begrüßte, sah er sie merkwürdig scharf an, wandte sich zunächst mit den Worten: „Sie sind überall, ich habe es euch doch gesagt“, an einen der alten Kameraden und sagte dann äußerst unhöflich und mit lauter, drohender Stimme:
    „Diese Person ist eine deutsche Spionin! Verhaftet sie!“
    Ehe sie überhaupt begriff was vor sich ging, sah Yuna Julien blass werden und fühlte dann, wie ihr selber ebenfalls das Blut stockte. Gleichzeitig versuchte jedoch eine innere Stimme sie zu beruhigen: Er ist betrunken, er weiß nicht was er sagt…es hat mit dir nicht wirklich etwas zu tun…
    Dennoch stand sie einen Augenblick wie vom Donner gerührt und Julien schien es genauso zu gehen. Kein Wunder, denn wer hätte mit einem solch hässlichen Angriff bei einem so schönen Fest auch rechnen können!?
    Zum Glück war inzwischen auch Juliens Großmutter aufgetaucht und zog ihren Mann schimpfend von Yuna fort.
    „Da hab ich dich“, zeterte sie lautstark, „Du glaubst wohl, du kannst dich heimlich davon schleichen! Pfui, wie du stinkst! Wie viel hast du getrunken? Gib es zu, du hast wieder nicht an deine Leber gedacht…“
    Erschüttert schaute Yuna den beiden nach.
    „Was war das eben?“, wandte sie sich verstört an Julien. Der hatte jedoch seine Gelassenheit längst wieder gewonnen und erklärte: „Ach, die alten Männer schmücken sich bei solchen Festen gerne mit ihren Orden und wärmen dann immer wieder die Kriegserinnerungen auf und schwelgen in ihren Heldentaten.“ Er zuckte die Schultern. „Das muss man verstehen, denn damals waren sie noch ganze Kerle und haben ihr Vaterland verteidigt. Viele waren in der Résistance und haben im Untergrund gegen die

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