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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Menton
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Liebenden, so wie Yuna sie gesehen hatte, kurz bevor sie in der Nebelbank verschwunden waren.
    Sie trugen andere Gesichtszüge, aber ansonsten war alles so wie in der letzten schrecklichen Nacht.
    Benommen hockte sie sich in eine der engen Kirchenbänke.
    Julien hatte in der Nähe des Altars eine holzgeschnitzte, fast lebensgroße Figurengruppe betrachtet, welche die Grablegung Christi darstellte. Nun setzte er sich zu ihr.
    „Geht es dir nicht gut?“, fragte er sogleich besorgt. „Du siehst blass aus.“
    „So fühle ich mich auch“, sagte sie leise. „Opa Pierre suchte hier öfters Motive für seine Plastiken. Er hat mich mehrmals mitgenommen, aber dennoch finde ich es immer wieder… äh… sehr… beeindruckend… und … äh… zu Herzen gehend.“
    Und spontan begann sie Julien im Flüsterton von der unheimlichen Nacht und ihrer seltsamen Vision zu erzählen.
    „Am Ende dieses schauerlichen Zuges“, beendete sie schließlich ihre Schilderung „ging Hand in Hand ein Liebespaar, genau wie hier auf diesem Fresko… und, weißt du, was daran das Merkwürdigste war?“
    „Nun?“, er sah sie fragend an und sie bewunderte seine Geduld mit ihr.
    „Der Mann sah aus wie mein Vater, als er noch jung war und das Mädchen hatte um den Hals das Medaillon, welches ich am Strand gefunden habe…“
    Nun lachte Julien ein wenig verlegen. Ihr Interesse an dem Totentanz hatte er als kulturhistorisch motiviert noch hinnehmen können, aber, dass sie jetzt auch noch Familiensachen dahinein geheimniste, war ihm wohl doch etwas zu viel des Guten. Jedenfalls brauchte er Zeit, um darauf zu antworten.
    „Lass uns raus in die Sonne gehen“, schlug er darum erst einmal vor. „Wir sollten die Ruhe des Gotteshauses nicht zu lange mit unserem Gespräch stören.“
    Vor der Kapelle setzten sie sich auf eine Bank, die zwischen zwei dicken, blau blühenden Hortensienbüschen stand.
    „Das, was du mir da eben erzählt hast, beunruhigt dich sehr, nicht wahr?“, fragte Julien einfühlsam.
    Sie nickte.
    „Erst das Schlafwandeln und dann diese gruselige…“, sie wusste nicht wie sie es nennen sollte, „… Vision … Halluzination… du weißt schon, was ich meine.“
    Er lächelte verständnisvoll, obwohl er vermutlich nicht den Schimmer einer Vorstellung davon hatte, was sie in der letzten Nacht in Angst und Schrecken versetzt hatte, denn er wirkte nicht so, als hätte er mit Esoterik und verwandten Bereichen etwas im Sinn.
    Entsprechend realistisch fiel dann auch seine Interpretation aus. Julien war halt ein angehender Allgemeinmediziner und kein Psychiater, der erst einmal das Seelenleben eines Patienten von innen nach außen krempelte. Er hatte gelernt aus Symptomen rasche Diagnosen abzuleiten und dann ein passendes Mittel für die Heilung zu verschreiben. So auch jetzt.
    „Ich bin sicher, dass es nur eine Sinnestäuschung war, die durch den Schreck über dein Schlafwandeln ausgelöst wurde“, sagte er. „Das Mondlicht und der Nebel haben dann das Übrige dazu getan…“
    Die Erklärung überzeugte sie nicht.
    „Aber ich habe doch ganz konkrete Figuren gesehen, die den Abbildungen in der Kapelle teilweise auf`s Haar glichen. Die Mägde, die Kaufleute, der Greis…es war fast, als sei dieses Wandgemälde in der letzten Nacht zum Leben erwacht. Teilweise hatten die Gesichter sogar dieselben Risse, wie sie das Fresko aufweist und an Stellen, wo die Farbe abgeblättert ist…“
    „Aber genau das beweist doch meine Theorie, dass es sich um eine Sinnestäuschung gehandelt hat“, fiel Julien ihr ins Wort. „Wabernde Nebel und Mondlicht haben dir Schatten und Schemen zwischen den Felsen vorgegaukelt und deine Fantasie hat sie mit alten Erinnerungen an diesen Totentanz verknüpft. Zu solchen Assoziationen ist das menschliche Gehirn fähig. Es ist nicht mal etwas Besonderes, so häufig kommt es vor…genau genommen ist dieser Mechanismus für unser Alltagshandeln unverzichtbar, denn er beschleunigt das Denken und Lernen ganz ungemein.“
    „Aha“, sagte sie eher unbeeindruckt, weil sie sich an eine Vorlesung während ihres Malereistudiums erinnert fühlte. „Aber was ist mit dem Liebespaar?“
    Er lächelte mit einer Milde, die schon eine Spur überheblich war.
    Herr Doktor doziert, dachte Yuna ironisch, war aber doch gespannt auf sein Statement.
    „Die Abbildung der beiden Liebenden hat dich sicher als kleines Mädchen schon fasziniert und nun kommt noch deine Lektüre dazu. Die Geschichte von Gaud und Yann aus den

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