Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
rechnen?«
»Das wollen wir mal eben überschlagen«, sagte Sheridan und biss sich auf die Lippe. »Wenn das Pferd zehn Dollar bringt – aber bestimmt sind es mehr, Father, viel mehr -, würde er mindestens 2.500 Dollar kriegen.«
Father Amion, der im Mittelgang stand, wippte leicht auf dem Fußballen. Die Bohlen quietschten. Dann sagte er träumerisch: »Wenn ich Ihnen nun fünfhundert Dollar gäbe, Mr. Sheridan? Würden Sie sie für mich setzen?«
»Ist das Ihr Ernst, Father?«
Father Amion schloss die Augen. »Würden Sie es tun, Mr. Sheridan?«
»Aber klar, Father – mit Vergnügen.«
»Ich bin gleich wieder hier. Genügt auch ein Scheck?«
»Mit Schecks kann ich umgehen, Father«, erwiderte Sheridan grinsend.
Keine fünf Minuten, nachdem Sheridans stämmige Gestalt verschwunden war, bedauerte Father Amion bereits seine Tat. Die Hände flehentlich zusammengepresst, rannte er den Mittelgang entlang zur Kirchentür und auf die Straße hinaus, wo er nach beiden Seiten blickte, um den Wetter oder sein auffallendes blaues Automobil zu entdecken. Zu sehen war jedoch nur eine Gruppe dreckiger Kinder, die auf der Straße Ball spielten; ärgerlich schalt Father Amion sie aus, weil sie die Kirchenstufen als Tor benutzten, und kehrte dann in die Kirche zurück, das Herz von Zorn und Sorge erfüllt. Niemals würde es ihm möglich sein, diesen Impuls zu erklären – weder sich selbst noch seiner Gemeinde, weder dem Kirchenrat noch vor allem Gott. Und als er Morton, den Küster, sah, der sein besorgtes Gesicht neugierig betrachtete, stellte er fest, dass er diesen Impuls nicht einmal seinem besten Freund erklären konnte.
»Was ist denn los, Father?« erkundigte Morton sich besorgt. »Sie sehen gar nicht gut aus.«
»Ich fühle mich auch nicht gut«, flüsterte Father Amion.
Der Küster trat interessiert näher. »Sie haben in letzter Zeit zu viel gearbeitet, Father. Vielleicht sollten Sie sich ein bisschen hinlegen...«
»Nein, nein, das kann ich jetzt nicht. Ich habe noch etwas zu erledigen – etwas sehr Wichtiges.« Als er diese Worte aussprach, wurde ihm völlig klar, was er zu tun verpflichtet war. »Morton, Sie kennen doch diesen Mr. Sheridan?«
»Ja, Father.«
»Wissen Sie vielleicht, wo er wohnt? Hat er jemals seine Adresse angeben?«
»Nein, Father.«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte Father Amion unglücklich. »Dann muss ich noch heute Nachmittag Bischof Cannon aufsuchen.«
»Aber Sie waren doch erst gestern bei ihm, Father. Und in einer halben Stunde kommen schon die Gemeindemütter.«
»Ich muss ihn dringend sprechen. Rufen Sie bitte die Vorsitzende des Müttervereins an und verschieben Sie die Sitzung auf nächste Woche.«
»Gut, Father, wenn Sie meinen. Wie lange werden Sie weg sein?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Father Amion bedrückt.
Er hatte Glück, dass der Bischof zu Hause war. Bischof Cannon, ein kräftiger Mann und zehn Jahre jünger als Father Amion, war bekannt für seine Energie und Aktivität; es war ein seltenes Ereignis, wenn er einen ruhigen Nachmittag in seinem Wohnzimmer verbrachte. Erstaunt blickte er auf, als Father Amion eintrat, legte das Buch hin, in dem er gerade las, und bot dem Pfarrer einen Stuhl an. Er erkundigte sich nicht nach dem Grund des Besuches, denn er sah deutlich, dass Father Amion nur mühsam an sich halten konnte.
»Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte der Father, die Hände ringend und auf den Teppich starrend. »Ich habe etwas Schreckliches getan, Bischof Cannon, und brauche jetzt dringend Ihren Rat.«
Der Bischof nickte. »Das ehrt mich, Father. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie etwas so Schreckliches getan haben könnten.«
Dann berichtete Father Amion ihm jedoch alles, und der Unglaube des Bischofs verwandelte sich in entsetztes Erstaunen.
»Ein Pferd, Father? Das ist doch nicht Ihr Ernst! Sie haben also aus dem Kirchenvermögen fünfhundert Dollar genommen, um auf ein Pferd zu setzen?«
Father Amion neigte den Kopf. »Ich kann mir selbst nicht verzeihen, was ich getan habe. Ich werde nie begreifen, wie ich dazu kam. Der Mann schien seiner Sache so sicher, wirkte so erfolgreich, und dann dieses ständige Gerede über das dringend benötigte Geld, das schon so lange dauert... Helfen Sie mir, zu begreifen, was ich getan habe, Bischof Cannon. Helfen Sie mir, dass ich es mir selbst erklären kann...«
»Ich kann es nicht fassen! Father, wenn ich Sie nicht so gut kennte...« Der Bischof erhob sich und ging, das Gesicht in eine
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