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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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den Morgenmantel über ihrem vorquellenden Bauch zusammenzuhalten, was ihr jedoch nicht gelang. Sie machte einen seltsam besorgten Eindruck, und ihre Augen blickten unruhig.
    »Nun?« sagte er unwirsch. »Du hast doch darauf bestanden, dass ich herkäme, und jetzt bin ich da.«
    »Ja, sicher. Komm herein, Mervin.«
    Er betrat das Zimmer. Sie blieb an der Tür stehen und stützte sich auf die Klinke. Das Zimmer war genauso schmutzig und unordentlich, wie er es sich vorgestellt hatte; aber die Einrichtung interessierte ihn jetzt nicht. Er holte sein Scheckheft aus der Tasche und schraubte die Kappe seines Füllfederhalters ab.
    »Wir wollen die Geschichte schnell hinter uns bringen«, sagte er barsch. »Ich weiß, was du von mir willst, und bin bereit, dir fünftausend Dollar zu geben.«
    »Mervin, vielleicht sollten wir das bis nachher lassen.«
    »Wir werden es jetzt sofort erledigen. Ich möchte die
    Geschichte zum Abschluß bringen, Angela, verstanden?« Er begann den Scheck auszufüllen, zögerte jedoch, bevor er die Zahl hinschrieb. »Fünftausend – einverstanden?«
    »Nein!« sagte sie. »Ich bin nicht damit einverstanden!«
    »Zehntausend – das ist mein letztes Angebot«, knurrte er. »Zehntausend, Angela, aber dann möchte ich nie mehr etwas von dir hören.«
    »Ich lasse mich nicht auszahlen! Ich bin keine Angestellte, Mervin; da kannst du sagen, was du willst. Ich bin deine...«
    »Fünfzehntausend«, sagte er mit geschlossenen Augen. »Ich habe mir geschworen, dass ich dir mehr nicht zahlen werde, Angela, und das ist also mein letztes Angebot. Aber wenn du nicht willst, ist es mir egal. Dann werde ich mich eben wehren. Ich werde dich wegen böswilligen Ver- lassens anzeigen; es dürfte nicht schwer sein, von dir geschieden zu werden – darauf kannst du dich verlassen.«
    »So?« Sie stützte die Hände dorthin, wo eigentlich ihre Hüften sein sollten, und watschelte auf ihn zu. »Das würde doch sicher nett aussehen, was? Ein berühmter Schriftsteller wie du, der einen Menschen wie mich verklagt! Aber mich kannst du nicht an der Nase herumführen. Ich weiß genau, was du denkst. Du kannst die Vorstellung nicht ertragen, dass irgend jemand erfahren könnte, dass ich deine Frau bin.«
    »Ja«, sagte er. »Damit hast du recht, Angela. Dieser Gedanke macht mich ganz krank.«
    »Nun, du wirst es dir anders überlegen müssen. Es ist schließlich die Wahrheit. So leicht wirst du mich nicht los, Mervin. Ich bestehe auf meinen legalen Ansprüchen. Verstehst du? Ich will mein Recht!«
    Er setzte sich auf die Bettkante und senkte sinnend den Kopf. »Angela«, sagte er. »Hab doch Mitleid.«
    »Ach, Mervin«, sagte sie.
    Sie setzte sich neben ihn. Sie tätschelte sein hageres Gesicht. Sie war sehr vertrauensselig – eine dumme, vertrauensselige Person. Er legte einen Arm um ihre Schultern, und sie lächelte zufrieden. Dann hob er die andere Hand und grub seine Finger in die fetten, schlaffen Falten ihres Halses. Es war nicht leicht, die richtige Stelle zu finden, aber schließlich gelang es ihm. Sie versuchte, seine Hand wegzuzerren, hatte jedoch nicht mit der Kraft seiner Verzweiflung gerechnet. Hilflos gurgelte sie, während er sie rücklings auf das Bett stieß und dann nach dem Kissen aus gestreiftem Drell griff, das nicht einmal einen Überzug hatte. Er presste das Kissen auf ihr Gesicht und war froh, dem Anblick ihrer fetten, erschrockenen Züge entronnen zu sein. Die Anonymität seines Opfers erleichterte ihm die Aufgabe; er drückte kräftiger auf das Kissen und hörte die erstickten Laute nicht mehr, die sie von sich gab. Ihr gewaltiger Körper wand sich und strampelte eine Weile, wurde dann jedoch schlaff. Sicherheitshalber hielt er das Kissen noch weitere dreißig Sekunden fest. Als er es wegnahm, waren ihre winzigen Augen geschlossen und ihr unförmiger Mund stand offen. Er hielt seine Hand darüber und spürte keinen Atem mehr.
    Das Kissen immer noch in der Hand, richtete er sich auf.
    Dann hörte er das Klicken der Klinke, und sein Blick wanderte zu der Tür, die sich einen Spalt geöffnet hatte. Es war die Tür des Badezimmers, von dem er allerdings nichts sehen konnte. Irgendjemand versperrte ihm die Aussicht.

    Mit einem Wutschrei packte er die Klinke und riss die Tür auf.
    »Bitte nicht!« schrie Mrs. Standish und schlug die Hände vor ihr Gesicht. »Bitte tun Sie mir nichts!«
    Wortlos starrte er sie an und konnte nicht fassen, was er sah. Er öffnete seinen Mund und stammelte ihren Namen.

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