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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Cincinnati. Ärgerlich wählte sie eine Nummer.
    »Mit dem letzten Ton des Zeitzeichens ist es zweiundzwanzig Uhr fünfzehn Minuten und vierzig Sekunden...«
    Wütend warf sie den Hörer auf die Gabel und beglückte die vier Wände mit einem lauten und unmissverständlichen Fluch.
    Dann lächelte sie; es war ein schmallippiges, rachsüchtiges Lächeln.
    »Das geschieht dir recht, du Schuft«, sagte sie laut und nahm wieder den Hörer ab.
    »Hier ist das Fernamt.«
    »Ich möchte ein Ferngespräch mit Voranmeldung für Mrs. Cecilia Roman in Cincinnati, Ohio, Edgewood 2890 anmelden.«
    Sie kicherte vor sich hin, während sie wartete. Das geschah ihm recht!
    »Es tut mir leid, aber der Teilnehmer meldet sich nicht. Soll ich es später noch einmal versuchen?«
    »Nein!« kreischte Julia. »Nein!« Dann legte sie den Hörer wütend auf. Es war elf.
    »Ich hasse dich«, sagte sie zu dem Haus. »Ich hasse dich, du gemeiner Kerl, du Lügner!«
    Lustlos ging sie zum Fernsehapparat und drehte an einem Knopf. Irgendetwas machte ›Piep‹, und mitten auf dem Bildschirm erschien ein heller Punkt, der sich dann jedoch in nichts auflöste. Sie lachte laut auf. Großartig! Ausgerechnet auch das noch! Nichts plus nichts plus nichts.
    ›Mein Gott!‹ dachte sie. ›Es ist hier so einsam...‹
    Gegen Mitternacht betrat sie mit lauten Schritten das Schlafzimmer, zog ihr ›bestes‹ Neglige aus und statt dessen ihren praktischen Bademantel an. Als sie gerade mit dem linken Arm in den Ärmel fahren wollte, hörte sie vor dem Schlafzimmerfenster, vor dem die Feuerleiter hinunterführte, ein Geräusch. Deutlich definieren konnte sie es nicht: es war die Mischung aus Kratzen und Scharren. Vorsichtig blickte sie hinaus, aber das Licht, das sich in der Scheibe spiegelte, verhinderte, dass sie etwas erkannte. Sie knipste die Deckenlampe des Schlafzimmers aus und blickte noch einmal hinaus. Bis auf einen leeren Blumentopf, der auf der Feuerleiter stand, war nichts zu sehen.
    Aber sie hatte ein Geräusch gehört. Eine Katze? Ein Schritt? Vielleicht ein Einbrecher? Diesen letzten Gedanken wurde sie nicht mehr los.
    Sie kehrte in das Wohnzimmer zurück, eine Hand auf das hämmernde Herz gelegt. Dann setzte sie sich auf das Sofa und überlegte alle Möglichkeiten.
    »Ach, verdammt«, sagte sie. »Ein Einbrecher kann es nicht gewesen sein.«
    Dann kicherte sie.
    »Immerhin hätte er mir wenigstens Gesellschaft geleistet.«
    Auf Zehenspitzen schlich sie zur Schlafzimmertür und hatte den Bademantel mit den Fingerspitzen so weit hochgerafft, dass er nicht über den Boden schleifte.
    »Juhuh!« sagte sie zu dem dunklen Zimmer. »Juhuh, Mister! Kommen Sie doch heraus und spielen Sie mit!«
    Natürlich erhielt sie keine Antwort.
    Dann aber hatte sie eine Idee. Es gab doch jemanden, den sie anrufen konnte, eine menschliche Stimme, die sie hören konnte. Also zurück zum Telefon.
    »Hallo, Vermittlung? Verbinden Sie mich mit der Polizei.«
    Bis zu dem Augenblick, da die Verbindung hergestellt wurde, steigerte sie sich in eine wahnsinnige Angst; aber dann meldete sich am anderen Ende eine ruhige, besänftigende männliche Stimme. Sie klang nett, melodisch, und beschwor das Bild eines hageren Gesichts sowie den Geruch nach aromatischem Tabak herauf.
    »Sie sagen, dass sich unmittelbar vor Ihrem Schlafzimmer die Feuerleiter befindet, Mrs. Roman?«
    »Ja, das stimmt. Und von dort habe ich auch das Geräusch gehört.«
    »Aber es war nur ein Geräusch, nicht wahr? Ich meine, gesehen haben Sie nichts?«
    »Nein«, sagte sie zögernd. »Richtig gesehen habe ich nichts.«
    »Dann sind Sie sich also auch nicht ganz sicher, nicht wahr?« Die Stimme wurde vertraulich. »Ich versuche nicht, Sie abzuwimmeln, Mrs. Roman. Aber im Augenblick sind wir etwas knapp an Beamten und trotzdem verpflichtet, uns um jede gerechtfertigte Beschwerde zu kümmern.«
    »Das verstehe ich«, sagte Julia schuldbewusst. »Vielleicht habe ich mich auch geirrt. Wissen Sie, ich bin nämlich ganz allein, und Sie können sich sicher vorstellen, wie es ist, wenn man allein ist: man bildet sich alles Mögliche ein.«
    »Ja, natürlich, das verstehe ich, Mrs. Roman. Wenn Sie
    wieder irgendetwas hören oder sehen, rufen Sie mich ruhig an. Mein Name ist Parks«, sagte er fröhlich. »Lassen Sie sich dann gleich mit mir verbinden.«
    »Vielen Dank«, sagte sie und hatte nur den einen Wunsch, dass er das Gespräch nicht abbreche. »Vielen herzlichen Dank...«
    Dann aber war die Verbindung

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