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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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nicht bleiben, Angela.«
    »Aber Mervin, wir haben doch noch nicht einmal über...«
    »Es gibt nichts zu besprechen. Ich habe dir nichts mitzuteilen – es sei denn die Tatsache, dass du hier äußerst unwillkommen bist.«
    Ihre Augen liefen über. »Du hast gesagt, ich sei deine Köchin«, sagte sie schnüffelnd. »Ich habe es genau gehört. Und jetzt denken alle, ich sei bloß deine Köchin.«
    »Was hätte ich denn sonst sagen sollen?« erwiderte er beißend. »Dass du meine Frau bist?«
    »Aber ich bin doch schließlich deine Frau!«
    »Darüber möchte ich nicht sprechen! Ich wünsche, dass du verschwindest, und zwar sofort!«
    Immer noch schluchzend stand sie auf und watschelte zur Tür. Er folgte ihr die Treppe hinauf und knallte die Tür des Gästezimmers hinter ihr zu. Als sie wieder erschien, in einem Straßenkleid und den kleinen Koffer in der Hand, blickte er sie angewidert an und weigerte sich sogar, ihr auf Wiedersehen zu sagen.
    Dann war sie verschwunden.
    Am nächsten Vormittag wachte er um zehn Uhr auf, und nach dem Kaffee trottete er in sein Arbeitszimmer zu der wartenden Schreibmaschine, während er zugleich versuchte, das bleierne Gefühl der Depression im Magen nicht zu beachten. Bei der ersten Berührung der Tasten floss jedoch Blei in seine Fingerspitzen und verhinderte, dass er irgendwelche Wörter zu Papier brachte. Er dachte an das Unheil, das der vergangene Abend ihm beinahe gebracht hatte, an das grässliche Gesicht, das ihn an einen Wasserspeier erinnerte, und an den missgestalteten Körper jener Frau, an die er gesetzmäßig gebunden war. Er konnte sich kaum daran erinnern, wie sie ursprünglich ausgesehen hatte, als sie achtzehn gewesen war; das schlanke gesichtslose Geschöpf, das er in seiner Jugend aus einem Impuls heraus geheiratet hatte, war in jener gewaltigen Ansammlung von Fleisch verschwunden und nicht mehr zu erkennen. In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren hatte er sich immer nur vorübergehend erlaubt, an sie zu denken, und schließlich vernünftigerweise beschlossen, dass sie tot sei. Aber jetzt...
    Das Telefon läutete. Dankbar für die Unterbrechung nahm er den Hörer ab.
    »Mervin?«
    »Lass mich in Ruhe!« schrie er. »Ich will nicht, dass du mich anrufst! Ich will von dir überhaupt nie wieder etwas hören!«
    Darauf folgte eine Pause. Dann hatte die Stimme sich verändert. »Ich habe mir alles überlegt«, sagte sie in dünnem, verbittertem Tonfall. »Du hast nicht das Recht, mich so zu behandeln. Ich habe gesetzliche Ansprüche. Es wäre besser, wenn du zu mir kämst und wir alles besprächen.«
    »Ich werde nicht kommen. Und du kommst ebenfalls nicht hierher!«
    »Das wird dir noch leid tun, Mervin – das ist mein Ernst. Ich werde mich an die Presse wenden.«
    »Angela – bitte!«
    »Von mir lassen sich keine guten Aufnahmen mehr machen«, sagte sie kichernd. »Möchtest du gern, dass die Zeitungen ein Bild von mir neben deinem bringen, Mervin?«
    Diese Vorstellung war entsetzlich. Er rang nach Atem. »Angela, sei doch vernünftig! Wir bedeuten uns doch gegenseitig nichts mehr. Wenn du von mir Unterstützung verlangst...«
    »Es wäre besser, du kämst zu mir und wir würden alles besprechen, Mervin. Das ist mein Ernst.«
    Er schüttelte den Hörer wie eine Keule. Dann sagte er: »Also gut – in einer Stunde bin ich da.«
    »Meine Adresse ist 349 West«, sagte sie. »Oberstes Stockwerk.«
    »Ich komme«, sagte Mervin.
    Er legte den Hörer auf. Dann ging er zu seiner Schreibmaschine, zog den unbeschriebenen Bogen heraus und riss ihn in Fetzen. Er ging nach oben, duschte, rasierte sich und suchte irgendeinen Anzug heraus. Bevor er das Haus verließ, nahm er sein Scheckbuch aus der Schreibtischschublade und steckte einen Füllfederhalter in die Innentasche.
    Eine gute Stunde war vergangen, als er vor dem Haus 349 West stand. Es war ein verkommenes Haus aus Sandstein. Ein halbes dutzendmal hatte er während des kurzen Weges seine Ansicht geändert, dann jedoch beschlossen, ihr fünftausend Dollar anzubieten; notfalls war er jedoch auch bereit, bis auf fünfzehntausend Dollar hinaufzugehen. Angela endgültig loszuwerden, war in Wirklichkeit sehr viel mehr wert.
    Er stieg die knarrende Treppe bis zum obersten Stockwerk hoch; dort entdeckte er nur eine einzige Tür und klopfte leise. Als sich niemand meldete, rief er: »Angela? Ich bin es.«
    »Einen Augenblick.«
    Ungeduldig schnalzte er mit den Fingern. Als die Tür geöffnet wurde, versuchte Angela krampfhaft,

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