Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
unterbrochen und sie wieder allein.
Um eins war sie auf Marco so wütend, dass sie in dem Durcheinander einer Kommodenschublade nach einem Bild von ihm suchte, es schließlich auch fand und zerriss. Um halb zwei wirkte die Leere der Wohnung so bedrückend auf sie, dass sie sich am liebsten angezogen hätte und spazieren gegangen wäre. Dann fiel ihr jedoch etwas Besseres ein.
»Hallo, ist dort die Polizei? Können Sie mich bitte mit Mr. Parks verbinden?«
Seine Stimme klang herzlich. Und so nett. »Glauben Sie wirklich, jemanden gehört zu haben, Mrs. Roman?«
»Diesmal glaube ich es bestimmt, Mr. Parks. Ich habe so entsetzliche Angst... Wäre es Ihnen nicht möglich, zu mir zu kommen – um einmal nachzusehen?«
»Aber...«
»Ich glaube, ich werde vor Angst noch wahnsinnig, Mr. Parks. Wenn Sie vielleicht für einen kurzen Augenblick herüberkommen würden!«
»Ich könnte eine Streife vorbei schicken, Mrs. Roman.«
»Nein – nein, bitte nicht«, sagte sie flehend. »Kommen Sie selbst, Mr. Parks, bitte.«
Eine Pause.
»Also gut«, sagte er, und diesmal klang seine Stimme nicht nur herzlich. »Verlassen Sie sich auf mich, Mrs. Roman. Ich bin in zehn Minuten da.«
Als sie merkte, was sie getan hatte, regte sie sich noch mehr auf als über jeden Einbrecher. Was würde Marco denken? Würde er eifersüchtig sein? Bei dieser Vorstellung kicherte sie und fühlte sich erheblich wohler.
Detektiv Parks traf um Viertel vor zwei ein. Für einen Mann, dessen Stimme an ein hageres und energisches Gesicht erinnerte, wirkte er deprimierend unauffällig. Er war nur etwa einen Zentimeter größer als Julia, und als er – im Gegensatz zu den Kriminalbeamten im Film – seinen Hut abnahm, wurde eine erhebliche Glatze sichtbar. Aber nette Augen hatte er, außerdem die beruhigende Stimme, und schließlich war er jemand, der ihr Gesellschaft leisten konnte.
»Haben Sie irgendwas von dem Einbrecher gemerkt, Mrs. Roman?« sagte er.
»Nein – nicht, seit ich Sie angerufen habe. Aber wenn Sie noch bleiben könnten...«
»Gemacht«, sagte er begeistert.
»Nur für kurze Zeit. Bis mein Mann nach Hause kommt.«
»Ihr Mann?« Sein Blick wurde betrübt. »Oh.«
»Eigentlich müsste er jeden Augenblick kommen«, sagte Julia schnell, um nicht einen falschen Eindruck zu erwecken. »Möchten Sie gern eine Tasse Kaffee?«
»Eine Tasse Kaffee wäre großartig«, erwiderte Detektiv Parks bedrückt.
Sie saßen am Tisch und unterhielten sich. Julia erzählte von dem Unterschied zwischen Ohio und New York. Mr. Parks saß da, den Blick starr auf den Kragen von Julias Bademantel gerichtet, als säße er in einem Theater und wartete darauf, dass der Vorhang sich öffnete. Ganz wohl fühlte sie sich zwar nicht, aber trotzdem war sie froh. Jetzt wollte sie nichts anderes, als dass Marco sie so vorfände. Ein schlechtes Gewissen sollte er haben, weil er sie alleingelassen hatte, eine Beute für jeden Einbrecher, Bettler oder Einsteigedieb. Sie wollte, dass er sich schämte, weil seine Frau gezwungen gewesen war, sich an die Polizei zu wenden, um dort Schutz zu finden.
Um Viertel nach zwei hörte sie, wie ein Schlüssel in das Schloss der Wohnungstür gesteckt wurde, und ihr Gesicht strahlte auf.
»Das ist er!« flüsterte sie, insgeheim triumphierend, und hüllte sich in boshafte Erwartung. »Das ist mein Mann!«
Im gleichen Augenblick kam er auch schon herein. Als er die beiden im Wohnzimmer sah, zog er unwillig die Stirn kraus. Julia stand auf, die Hand in die Hüfte gestemmt.
»Na? Da kommt unser ewiger Zigeuner. Marco, das ist Mr. Parks von der Polizei. Wäre er nicht gewesen, wäre ich vielleicht im Schlaf ermordet worden.«
Volle zehn Sekunden lang betrachteten Marco und der Kriminalbeamte sich prüfend. Dann rieb Parks sich das Kinn und sagte: »Well!« Kaum hatte er dieses Wort ausgesprochen, als Marco herumfuhr und mit einem Satz versuchte, die Wohnungstür zu erreichen. Parks, der überraschend beweglich war, sprang ihm nach und erwischte ihn noch am Mantel, bevor Marco verschwinden konnte. Dann zog Parks seinen Dienstrevolver aus dem Jackett und schwenkte ihn gebieterisch.
»Sind Sie verrückt?« kreischte Julia. »Haben Sie denn nicht verstanden? Das ist nicht der Einbrecher! Das ist mein Mann!«
»Schlimm für Sie, Lady«, sagte Parks, schwer atmend. »Aber das Foto Ihres Mannes hängt seit Tagen in allen Polizeirevieren. Seit fünf Wochen suchen wir ihn und seine beiden Komplicen schon.«
»Nein!« schrie Julia, als
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