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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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großkotzigen karierten Jacke hielt sich an der Theke
des Schalters fest und redete mit dem schönsten Pariser Akzent auf das Mädchen
ein. Bei dem stammte nur die Farbe von den Antillen. Die Inseln kannte er
lediglich aus Filmen.
    Auf der rechten Seite des
Saales lief auf halber Höhe eine Galerie entlang. Dort saßen Gäste, die wohl
eher das pittoreske Spektakel genießen wollten, als sich selbst ins Vergnügen
zu stürzen. Dennoch herrschte auf der Treppe nach oben ein ständiges Kommen und
Gehen. Ich drängte mich dazwischen und fand tatsächlich eine Nische, von der
aus ich den Saal überblicken konnte.
    Die aufgekratzten Musiker auf
dem Podest schienen sich noch mehr zu amüsieren als die, die sie tanzen ließen.
Am Tisch neben mir saßen zwei Paare. Künstler von Montparnasse ,
wenn ich sie richtig verstand. Ein stockbesoffener großer Blonder suchte Streit
mit seiner Frau. Hatte das Gefühl, sie tanzte etwas zu oft mit einem von
Martinique. Die Frau gab zurück, das sei einer aus dem Senegal. Aber es half
nichts. Der Blonde befand sich mitten im Rassenkampf. Zum Trost bestellte er
noch einen Punsch. Ich schloß mich ihm an.
    Die Musiker beendeten ihre biguine und legten erst mal ‘ne
Pause ein. Ich sperrte die Augen auf, um Jeanne Marigny ausfindig zu machen. Vorläufig ohne Erfolg. Ich wollte lieber hier mit ihr
reden als zu Hause, wo ich ihrer Mutter zuviel hätte
erklären müssen. Aber vielleicht vergeudete ich hier nur meine Zeit.
Schließlich erspähte ich sie aber doch noch. Sie trennte sich gerade von ihrem
Tanzpartner, der offensichtlich tief enttäuscht war. Sie ging zur Treppe, der
Schwarze hinterher.
    Ich stand auf und schlängelte
mich durch die Tische auf sie zu. Als ich vor ihr stand, sprach ich sie
lächelnd an: „ Mademoiselle Marigny ,
nicht wahr?“
    Überrascht öffnete sie den
Mund, erkannte aber dann ihre Chance.
    „Oh!“ rief sie. „Guten Abend,
Monsieur.“
    Sie drehte sich zu ihrem
hartnäckigen Verehrer um:
    „Tut mir leid, aber der nächste
Tanz ist schon vergeben. Sie sehen ja, Monsieur hat’s eilig.“
    Der Schwarze gab auf und verschwand
auf der Treppe. Jeanne Marigny streckte ihm die Zunge
raus.
    „’n bißchen zu anhänglich, der
Kerl“, sagte sie erklärend. Ihr Parfüm verscheuchte alle anderen Gerüche. Die
Kaninchenjacke hatte sie wohl an der Garderobe abgegeben. Sie trug eine angenehm
aufgeknöpfte Hemdbluse.
    „Sie sind gerade richtig
gekommen, wie gerufen“, sagte sie. „Aber jetzt gehört Ihnen wohl der Tanz...“
    „Nicht, wenn Sie’s als lästige
Pflicht betrachten.“
    „So meinte ich das nicht. Ich
    Plötzlich schien ihr etwas
einzufallen. Sie schlug heftig die Hand vor den offenen Mund. Ein schöner Mund,
mit schönen Zähnen. Und eine schöne Hand.
    „Aber... sagen Sie mal, M’sieur …“ stammelte sie. „Sie... Woher kennen Sie meinen
Namen?“
    „Wir haben uns schon mal
gesehen.“
    Gespielt wütend runzelte sie
die Stirn. In Wirklichkeit war ihr zum Lachen zumute.
    „Das ist keine Antwort.“
    „Tun wir so, als wär’s eine.“
    „Also wirklich! Wir haben uns
schon mal gesehen, haben Sie gesagt?“
    „Getroffen.“
    „Wo denn? Hier?“
    „Nein, in der Rue de la Saïda . Auf der Treppe, heute morgen ,
gegen Mittag...“
    „Ach ja!“ rief sie. „Ja,
natürlich... Entschuldigen Sie, aber ich hab nicht drauf geachtet.“
    „Ich nehm’s nicht persönlich. Schließlich bin ich nicht Luis Mariano.“
    Sie lachte und zwinkerte mir
zu.
    „Zum Glück für Sie, einerseits“,
bemerkte sie.
    Sie wirkte kindlich und
ernsthaft zugleich. Eine seltsame Mischung.
    „A propos “,
fuhr sie fort, „Luis Mariano sind Sie also nicht. Und wer sind Sie dann? Sie
kennen meinen Namen, aber ich kenne Ihren nicht.“
    „Nestor Burma ist mein Name.“
    „Oh la la !
Das muß ein Pseudonym sein...“
    „Leider nein!“ seufzte ich.
    „Im Ernst? Sind Sie beim
Zirkus?“
    „So ungefähr. Ich bin
Privatdetektiv.“
    „Was?“
    »Ja.
    „Also, das ist doch...“
    „Nicht wahr? Als wir uns heute
auf der Treppe begegnet sind, war ich auf dem Weg zu einem Ihrer Nachbarn. Paul Demessy . Kennen Sie ihn?“
    „Natürlich.“
    „Ich bin ein Freund von ihm.“
    „Ach!“
    „Würde mich gerne über ihn
unterhalten. Geht das?“
    „Warum nicht?“
    „Setzen wir uns an meinen
Tisch. Da sind wir ungestört. Nebenan wird zwar rumgebrüllt, aber die
interessieren sich nicht für andere.“
    Neugierig folgte sie mir. Als
wir saßen, hielt ich ihr das Foto

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