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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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das, seitdem ich fünfzehn bin. Tippse. Viel Arbeit hatte ich nicht. Mein
Chef hatte noch weniger. Deswegen wußte er auch nicht, was er mit seinen Händen
machen sollte.“
    „Und damit die Finger nicht
steif wurden...“
    „Genau. Also hab ich gekündigt.
In der Rue de la Saïda würde mir natürlich kein
Mensch glauben. Bei meinem Ruf...“
    „Ich glaube Ihnen.“
    „Aus Ihnen kann noch was
werden!“ lachte sie.
    Sie sah hinunter auf die
Tanzfläche. Die Musiker legten wieder los, noch lebhafter und dröhnender als
vorher.
    „Ich habe Ihnen den nächsten
Tanz versprochen“, sagte Jeanne. „Gehen wir?“
    Ich stand auf.
    „Von mir aus. Hier, Ihr Foto.
Ich brauch’s nicht mehr. Ich dachte, ich hätte ‘ne
Spur. Hab mich geirrt.“
    Sie ließ das Foto langsam in
die Tasche ihrer Bluse gleiten. Wir gingen auf die Tanzfläche. Als wir an den
Tisch zurückkamen, war Jeanne wieder etwas entspannter. Fast wieder das
herausfordernde, aufreizende Mädchen, dem ich auf der düsteren Eisentreppe
begegnet war. Wir plauderten über alles Mögliche, tranken noch einen Punsch.
Danach machte ich Anstalten zu gehen.
    „Bleiben Sie noch?“
    „Am liebsten würde ich auch
gehen“, sagte sie.
    „Wollen Sie nach Hause? Ich
kann Sie im Wagen mitnehmen.“
    Sie nahm das Angebot an.
    Während der ganzen Fahrt
kriegte sie die Zähne nicht auseinander. Wenn ich ihr Parfüm nicht in der Nase
gehabt hätte, hätte ich gedacht, ich wär alleine im Wagen. Still saß sie in
ihrer Ecke. Zwischen uns hätte ein ausgewachsener Catcher Platz gehabt.
    Das düstere Gebäude in der Rue
de la Saïda hob sich von dem schwarzen Nachthimmel
ab. Alles war still. Alles schlief.
    „So, da wär’n wir.“
    Ich lehnte mich hinüber, um die
Wagentür zu öffnen.
    „Entschuldigen Sie...
Wiedersehn, Mademoiselle .“
    „Sie können Jeanne zu mir
sagen.“
    „Gute Nacht, Jeanne.“
    Ich gab ihr die Hand.
    „Gute Nacht. Ich...“
    Ein Schrei zerriß die nächtliche Stille.
    „Was war das?“ fragte ich.
    „Ach, nichts“, seufzte sie.
„Jemand hat einen Alptraum. Sogar nachts hat man hier Angst...“
    Sie erschauerte.
    „Vor allem nachts“, sagte ich.
„Gute Nacht.“
    „Gute Nacht. Sehen wir uns
wieder?“
    „Tja...“
    „Wir sollten uns wiedersehn.“
    „Wenn Sie meinen...“
    Sie hielt noch immer meine
Hand. Ohne sie loszulassen, rutschte sie zu mir rüber. Mit der anderen Hand zog
sie mich zu sich ran. Sie küßte mich. Dann sprang sie aus dem Wagen. Ich hörte
sie über den Hof laufen, die Treppe hinauf. Laut hallten ihre Absätze auf den
Eisenstufen.
    Ich schloß die Wagentür,
kurbelte das Seitenfenster runter und steckte den Kopf hinaus. Einige Minuten
starrte ich die abweisende Fassade an. Dahinter störten also Alpträume den
wohlverdienten Schlaf von Arbeitern. In der vierten Etage ging ein Licht an...
und fast sofort wieder aus. Ich kurbelte das Fenster wieder hoch, startete
meinen Dugat und fuhr los.
    Der Kuß war nicht unangenehm
gewesen. Aber er wollte mir nicht gefallen.
     
    * * *
     
    Nachdem ich ungefähr zehn
Minuten gefahren war, hörte ich einen gebieterischen Pfiff. Kein Zweifel: Wenn
jemand um diese Zeit in diesen menschenleeren Straßen so pfiff, dann war’s ein Flic . Ich fuhr langsamer. Aus einer Seitenstraße rollte ein
Polizeiwagen auf die Fahrbahn und versperrte mir den Weg. Ich hielt an. Ein
zweiter Wagen schob sich von hinten an meine linke Seite. Ein ambulanter Puff,
wie man diese Wagen mit dem roten Warnlicht nennt. Gut organisiert das Ganze,
wie ‘ne Choreographie beim Ballett. Den musikalischen Hintergrund lieferten die
Arme des Gesetzes, die ihre Autotüren zuknallten. Einige in Uniform, andere in
Zivil. Einer ließ eine Taschenlampe aufleuchten, deren Lichtkegel die
Maschinenpistole eines Kollegen traf. Der Lauf der MP klopfte gegen die
Scheibe. Ich kurbelte sie runter. Der MP-Mann steckte den Kopf durch die
Öffnung. Ein zweiter Flic ebenfalls. Er schnupperte
und bemerkte lachend:
    „Sie duften aber!“
    „Hab gerade ‘ne Dame
befördert.“
    „Befördert!“
    Er lachte fett. Das Licht der
Taschenlampe traf mein Gesicht. Ich schloß die Augen.
    „Das sieht man!“ sagte der mit
der Lampe. „Sagen Sie, Ihr hinteres Nummernschild ist nicht beleuchtet. Ist das
Absicht?“
    Er ließ die Lampe sinken. Ich
konnte die Augen wieder öffnen.
    „Ach, deswegen haben Sie hinter
mir hergepfiffen ? ... Wußte ich nicht.“
    „Kommen Sie, sehen Sie sich’s
an.“
    Ich stieg aus. Die beiden Flics

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