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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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eines Schlüsselbundes, das
Stochern im Schlüsselloch, Türenknallen, wieder das Geräusch im Schlüsselloch.
Das Licht im Treppenhaus erlosch. Ich wartete, Jeanne fest an mich gepreßt. Ihr
Herz schlug mir bis zum Hals. Ich bedauerte es, sie in diesen Schlamassel mit
hineingezogen zu haben. Schlecht für sie, aber auch schlecht für mich. Sie war
mehr eine Belastung als alles andere. Ich hatte mir nicht mal den Tatort
ordentlich angesehen. Wäre ich alleine gewesen... na ja, egal. Im Dunkeln
tasteten wir uns nach unten. Jeanne ging wie eine Schlafwandlerin. Endlich
verließen wir das Totenhaus und gingen zu meinem Wagen.
    Ich startete in Richtung Pont
de Bir-Hakeim , ehemals Pont de Passy. Mitten auf der
Brücke hielt ich an, stieg aus und warf den Lappen, mit dem ich Jeanne
abgerieben hatte, in die Seine. Vor mir drehte sich der Scheinwerfer des
Eiffelturms. Über die Metrobrücke donnerte ein Zug. Seine Lichter zitterten auf
der Wasseroberfläche. Der Lärm vom Vélodrome d’Hiver schwoll an. Die Menge strömte hinaus. Ich sah auf
die Uhr. Kurz nach Mitternacht. Noch gar nicht so spät. Paris war voller Leben.
Ich klemmte mich wieder hinters Steuer und nahm Kurs auf mein Büro. Jeanne
kauerte neben mir und weinte leise vor sich hin. Ihr Kopf lag an meiner
Schulter, die Haare kitzelten meine Wange. Schließlich beruhigte sie sich ein
wenig. Aber sie verspürte keinerlei Bedürfnis, sich über das Schauspiel zu
unterhalten, das ich ihr geboten hatte. Im Büro gab ich ihr was Stärkendes zu
trinken. Es dauerte einige Zeit, bis sie wieder relativ in Ordnung war. Ich
fuhr sie in die Rue de la Saïda und nahm ihr das
Versprechen ab, mit niemandem, absolut niemandem über die Angelegenheit zu
reden. Dann brachte ich mich selbst nach Hause. Und die ganze Zeit über wurde
ich von einem Satz verfolgt. Er ging mir einfach nicht aus dem Sinn. Immer
wieder mußte ich ihn mir im Geiste vorsagen, wie eine Schallplatte mit einem
Sprung: Schlechte Karten für die Wahrsagerin. Also, manchmal meine ich
wirklich...

9
     
    Die ganze Aufregung, dazu der
Schlag auf den Kopf... All das hatte zur Folge, daß ich am nächsten Morgen um
elf immer noch schlief... als diese beiden Kerle bei mir auftauchten. Das bringt
einen vielleicht auf die Beine! Kommissar Faroux wünsche mich zu sprechen, und wenn ich ihnen folgen wolle... Ich folgte ihnen.
Zuerst in ihren Wagen, dann quer durch Paris. Als wir zum Boulevard de Grenelle kamen, sagte ich nichts. Meine Begleiter waren
auch nicht sehr gesprächig. Aber ich hatte kapiert. Man mußte kein Hellseher
sein, um zu merken, daß wir zur Wahrsagerin fuhren. Bei meinem überstürzten
Aufbruch gestern abend hatte
ich sicher Spuren hinterlassen. Oder Jeanne hatte nicht den Mund gehalten.
    „Ach, Nestor Burma!“ trompetete Florimond Faroux , als er
mich sah.
    Er stand in dem Totenzimmer.
Bei ihm waren die Leiche — jetzt unter einer Decke verborgen — und einige
Kollegen von der Tour Pointue .
Jemand hatte einen der schwarzen Vorhänge zurückgezogen — dabei wäre jetzt mehr
denn je der geeignete Augenblick gewesen, sie geschlossen zu lassen! — , und durch das freigewordene Fenster flutete Tageslicht.
Das Gesetz braucht manchmal frische Luft!
    „Was ist denn hier los?“ fragte
ich.
    „Das Übliche“, lachte der
Kommissar. „Es wurde ein Verbrechen begangen, und Sie sind darin verwickelt.“
    „Ach?“
    „Ja’“
    Er zog mich am Arm zur Leiche
und machte einem seiner Männer ein Zeichen. Der hob die Decke ein wenig von
Joséphines Gesicht.
    „Kein schöner Anblick“,
bemerkte ich.
    „Ich hab Sie nicht holen
lassen, weil ich Ihr ästhetisches Urteil hören wollte. Sie kennen die Dame,
nicht wahr?“
    „Ja. Marie Dubois alias
Joséphine alias Zorga-Tinéa .“
    „Richtig. Was treiben Sie so im
Augenblick?“
    „Nichts.“
    „Keinen Fall am Laufen?“
    „Nein.“
    „Wissen Sie, daß es mindestens
einen gibt, der Ihnen nichts Gutes will?“
    „Sie sollten nicht immer von
sich selbst reden. Das nennt man schlecht erzogen.“
    Der Kommissar zuckte die
Achseln.
    „Hier, davon rede ich“, sagte
er.
    Mit diesen Worten nahm er eine
reichlich zerknitterte Visitenkarte vom Tisch und reichte sie mir.
    „Sie können damit machen, was
Sie wollen. Wir haben schon alles rausgeholt, was rauszuholen war. Nicht grade
viel.“
    Ich strich die Karte glatt und
verzog das Gesicht.
    „Vor allem haben Sie wohl
unangenehme Schlüsse gezogen, hm?“ knurrte ich.
    „Warum?“
    „Das ist eine von

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