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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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Hier...“
    Sie stand auf, ging zu ihrer
Tasche und holte einen glänzenden Gegenstand heraus. Ein Röhrchen, unterteilt
in zwei ungleiche Hälften. Wie ein Lippenstift, nur größer und offensichtlich
vergoldet. Ich drückte auf den kleinen Diamanten an dem luxuriösen Zylinder.
Mit einem leisen Klicken sprang die Verschlußkappe auf. Ein weiteres Röhrchen kam zum Vorschein, aus Glas. Es enthielt eine
farbige, duftende Flüssigkeit. Das berühmte Parfüm Nr. 13.
    „Das hat mir M’sieur Demessy geschenkt“, sagte
Jeanne. „Inzwischen habe ich’s schon mehrmals nachfüllen lassen. Das goldene
Etui ist das Geschenk, von dem ich Ihnen erzählt habe. Er hat es mir samt
Parfüm geschenkt. Das Parfüm hat mir gefallen, obwohl es nicht grade billig
ist...“
    „Der Behälter bestimmt auch
nicht. Sagen Sie mal, wissen Sie zufällig, wo er’s gekauft hat? Und von welchem
Geld?“
    „Er hat’s nicht gekauft. Er
hat’s gefunden... oder gestohlen. Das muß ich Ihnen erklären. Also, er begegnet
mir, er sieht fröhlich aus, aber irgendwie unnatürlich... so als hätte er
getrunken. ,Sie haben doch bald Geburtstag, Jeanne,
stimmt’s?“ fragt er mich. Ich antworte, das sei noch lange nicht so weit. Erst
im Juni, und damals war es so Ende Oktober, Anfang November...“
    Bei mir machte es ,Klick’ , aber ich sagte nichts. Das Mädchen fuhr fort:
    „Er antwortet, das mache nichts,
er wolle mir sein Geschenk schon jetzt geben. Und er gibt mir dieses Etui. Ich
ziere mich ein wenig, aber nur der Form halber, muß ich zugeben. Hatte schon
gesehen, daß es aus Gold war. ,Ach , kommen Sie’, sagt
er, ,das bin ich Ihnen schuldig’...“
    Das Mädchen wurde rot.
    „Vielleicht reime ich mir das
nur so zusammen, aber ich glaube jetzt, er hat auf das Foto angespielt.“
    „Das glaub ich auch“, stimmte
ich ihr zu.
    „Bestimmt hatte er das Gefühl,
sich mir gegenüber nicht richtig verhalten zu haben. Und das wollte er
wiedergutmachen. ,Das bin ich Ihnen schuldig“, sagte
er, ,und es hat mich nichts gekostet. Ich hab’s gefunden...“ Und lachend hat er
hinzugefügt — ich erinnere mich noch gut daran, an das seltsame Lachen, das
eines Betrunkenen: , Schon erstaunlich, was man alles finden kann in Paris. Man muß sich nur an die
richtige Adresse wenden, nicht an das Büro in der Rue des Morillons ,
nein, sondern an die Leute, deren Beruf es ist, was zu finden...“ Ach! Meinte
er vielleicht Sie, M’sieur Burma?“
    „Vielleicht. Wann war das noch
mal?“
    „Ende Oktober, Anfang
November.“
    „Mitte Oktober war er in meinem
Büro, aber ich versteh nicht... Hat er noch mehr gesagt?“
    „Ja. Er hat mir erzählt... Tja,
ich erinnere mich genau an seine Worte, weil sie mich so überrascht haben. Von
einem Mann, auch wenn er betrunken ist... Er hat mir von Wahrsagerinnen
erzählt. Genauer gesagt, von einer bestimmten Wahrsagerin.“
    „Ach ja?“
    „Ja. ‘n bißchen bekloppt, nicht
wahr? Wußte gar nicht, daß Männer auch zu Wahrsagerinnen gehen.“
    „Soll vorkommen. Und was hat Demessy von der Wahrsagerin erzählt?“
    „Daß man ihnen im allgemeinen
unrecht tut und daß man keine bessere finden kann als die, die er kannte. Also
wirklich, ein Mann, der zu ‘ner Wahrsagerin läuft!“
    Mit dem, was ich wußte, hätte
mir sofort ein Licht aufgehen müssen. Aber Jeanne war einer der Bäume, vor
denen man den Wald nicht sieht. Und so blieb mir durch sie weiterhin die
Wahrheit verborgen. Ja, ich hätte kapieren müssen. Wenigstens die Spur wittern.
Aber was hätte es schon genützt?
    „Wenn ich richtig verstehe“,
sagte ich, so als verstünde ich irgend
etwas richtig, „dann glauben Sie, er hatte dieses wertvolle
Geschenk nicht gefunden, sondern einer Frau gestohlen. Und zwar der Frau, die
ihn heute getötet hat.“
    „Ja.“
    „Und Sie meinen, Sie kennen
diese Frau?“
    „Tja... das heißt... wenn das
Fläschchen... Ich weiß nicht, wie ich’s Ihnen erklären soll, aber ich hatte den
Eindruck, daß er nicht zufällig von dem angeblichen Fund und gleichzeitig von
der Wahrsagerin gesprochen hat... Es hatte was miteinander zu tun... Und da hab
ich mir gedacht, daß dieses Fläschchen hier vielleicht der Wahrsagerin gehört
hat...“
    Ich schüttelte bedauernd den
Kopf.
    „Langsam, langsam. Die
Wahrsagerin, von der Sie reden, bevorzugt hauptsächlich arabische Duftnoten.“
    „Ach, Sie kennen sie?“
    „ Demessy ist auf meine Empfehlung hin zu ihr gegangen.“ Jeanne schwieg, aber ihr Gesicht
sprach Bände.

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