Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
behelligen. »Wie findest du dieses Zitat?«
»Ähm, ich denke, da sind wir auf einem guten Weg. Aber hättest du vielleicht Lust auf eine kleine Shoppingtour in Secondhandläden?«, fragt Chris und wechselt schnell das Thema. Er ähnelt Leon, meinem ADHS -Schüler, wirklich sehr.
Gemeinsam ziehen wir an diesem perfekten sonnigen Tag durch die Stadt.
»Mir gefällt dein Rock«, stellt Chris fest und streicht über den Stoff. Mit den Fingern fährt er die Umrisse des aufgedruckten Eiffelturms nach – aber nicht auf eine sinnliche Art und Weise, sondern eher so, wie ältere Damen Nähte und Rocksäume überprüfen, bevor sie ein Kleidungsstück kaufen.
»Das ist mein Parisrock«, erkläre ich voller Stolz. »Den habe ich auf dem Portobello Market erstanden, etwas Ähnliches ist bestimmt in ganz Norwich nicht zu finden. Obwohl – man kann nie wissen«, fahre ich fort.
»Aber genau das ist ja das Aufregende daran – man weiß nie, worauf man so alles stößt.«
Ich lächele, weil ich genau weiß, was er meint.
»Du bist ein Mann ganz nach meinem Geschmack«, erkläre ich. Chris wird rot.
Es ist schon etwas Besonderes, beinahe Dekadentes, an einem Wochentag durch die Stadt zu schlendern, während der Rest der Welt arbeiten muss. Ich weiß, es ist vielleicht ein wenig ungehörig, doch ich komme mir in der Gesellschaft dieses Mannes, der nicht mein Ehemann ist, um einiges wichtiger vor.
»In Reedby gibt es leider nicht allzu viele Secondhandläden«, erklärt Chris. Ich will gerade entgegnen, dass es dort überhaupt keine Secondhandläden gibt, als ich merke, dass er nur gescherzt hat. Sein Gesichtsausdruck hat etwas von einem Großwildjäger, der sich an seine Beute heranpirscht. Doch anstatt eines machohaften Jägers tauchen vor meinem geistigen Auge Bilder von sonst wohlgesitteten Damen auf, die sich beim Schlussverkauf vordrängeln und mich beiseiteschieben.
Chris schreitet zügig voran, und ich muss mit meinen klappernden Clogs zusehen, mit ihm Schritt zu halten, da seine Beine deutlich länger sind als die meinen. Zudem ist er um einiges größer als Adi. Ich finde ja, dass große Männer automatisch eine größere Autorität ausstrahlen. Niemals hätte ich einen Mann heiraten können, der kleiner ist als ich, das wäre in meinen Augen nicht richtig gewesen. Gelte ich jetzt schon als intolerant? Gibt es vielleicht sogar schon Gesetze, die gegen eine solche Meinung vorgehen? Können Gesetze gegen persönlichen Geschmack erlassen werden?
»Jetzt weiß ich wieder, was ich dich die ganze Zeit fragen wollte. Was hat es mit diesem ›madder‹, dem Krapprot, auf sich? Immerhin ist ›madder‹ hier in sämtlichen Namen vertreten.«
»Das ist ein gewerblicher Farbstoff.«
»Na, das weiß ich auch«, erwidere ich spöttelnd.
»Das Weberhandwerk und das Färben der Stoffe waren mehr als sechshundert Jahre lang der wirtschaftliche Grundstein Norwichs, das habe ich alles in meinem Bewilligungsantrag erklärt«, erwidert Chris mit einem Augenzwinkern. »Ich habe sogar im Textile Centre einen älteren Mann getroffen, der sich noch daran erinnerte, dass seine Mutter ihm erzählt hat, wie früher in Norwich der Fluss immer blutrot gefärbt war.«
»Blutrot?«, wiederhole ich und habe sogleich den blutverschmierten Tatort eines Verbrechens vor Augen.
»Rot vom Färben«, erklärt Chris und zwinkert mir noch einmal zu.
Wir werden langsamer und warten darauf, dass die Fußgängerampel grün wird. »Komm, lass uns schnell hinüberlaufen!«, ruft Chris und packt mich am Arm. Verbotenerweise laufen wir bei Rot über die Ampel, was sich fantastisch anfühlt. Chris hält immer noch meinen Arm fest, als wir den ersten Secondhandladen betreten. Ich hoffe, dass mich niemand sieht, denn um die Wahrheit zu sagen: Es fühlt sich an, als sei ich mit einer Freundin beim Shoppen.
»Ich finde, die Kleider sind hier überteuert«, flüstere ich Chris zu. »Die Kleidungsstücke werden mittlerweile zentral sortiert. Alles, was als klassisches Vintagestück gilt, wird aussortiert und in speziellen Läden für ein Vermögen verkauft. Danach kommen dann die Läden der gehobenen Preisklasse wie in Cambridge, dann die Billigläden wie in Biggleswade und schließlich die Kleider, die nur noch zu Lumpen taugen.«
»Man kann nie wissen, vielleicht ist den Sortierern irgendetwas durchgegangen, vielleicht haben sie etwas übersehen. Du weißt erstaunlich viel über dieses Thema.«
Es tut gut, dass sich jemand ernsthaft für das
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