Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
ich mir gewünscht, ein wenig mehr wie sie zu sein.«
»Das war aber nicht Pams Eindruck. Sie hat lauthals Sätze gebrüllt, die auf dem Quilt zu lesen waren. Ich denke mal, die Kommentare waren für Tracy bestimmt. Als sie schrie, ›Schlampe, ich hasse Frauen wie dich‹ – was ebenfalls sehr sorgsam auf das Banner appliziert war –, wusste ich nicht mehr, was ich noch tun sollte. Die Mädchen waren ja auch noch bei uns. Schließlich kam ein Museumsaufseher zu uns und fragte, ob alles in Ordnung sei, bevor er dann vorschlug, mit der aufgebrachten Dame doch irgendwo einen Tee trinken zu gehen. Als wir die Galerie verließen, schrie Pam gerade: ›Du sollst in der Hölle verrotten!‹ Somit haben wir dann unseren Ausflug in einem kleinen Café an der Uferpromenade beendet, wo wir den Regentropfen dabei zugesehen haben, wie sie an den beschlagenen Fensterscheiben hinuntergelaufen sind. Wissen Sie, was meine Schwiegermutter dann gesagt hat?«
Mittlerweile scheint der komplette Nähkurs meiner Erzählung zu lauschen, da alle den Kopf schütteln. »Sie sagte: ›Laura, jetzt geht es mir gleich viel besser. Es ist schon erstaunlich, was eine Tasse Tee, ein Stück Battenbergkuchen und die Möglichkeit, einmal Dampf abzulassen, bewirken können.‹ René, verraten Sie mir, was das alles sollte? Ich hatte keine Ahnung, was ich Adi an jenem Abend sagen sollte. Aber die Mädchen haben alle meine Erzähllücken bestens ausgefüllt.«
»Meiner Meinung nach bedeutet dies, dass die Redefreiheit nur für Ausgewählte gilt«, erklärt Hannelore und taucht hinter mir auf.
Just in diesem Augenblick habe ich eines dieser Aha-Erlebnisse, die kreative Köpfe den ganzen Tag über haben sollten (und die völlig aus dem Nichts kommen – was mir aber nie passiert). Ich werde in meine Stickereien ganz alltägliche Worte, Gedanken und Redewendungen einfließen lassen. Diese Idee ist die ganze Zeit über schon da gewesen und hat auf mich gewartet: Lorinas Stickereien haben ebenso zu mir gesprochen wie Tracy Emins Schimpftirade zu Pam. Ich beschließe, von nun an jedes meiner Werke wie einen Glückskeks mit einer Art Botschaft oder Tageslosung zu versehen.
Kapitel 22
Heftstich – Mit dem Heftstich wird eine Arbeit vorübergehend bis zum endgültigen Vernähen in Position gehalten. Der Stich ähnelt dem Vorstich, doch die Stiche sind hier länger.
Als ich im Flur am Spiegel vorbeieile, fällt mein Blick auf mein Spiegelbild. Wir haben viele Spiegel; in einem Haus mit so vielen Spiegeln kann man eigentlich nicht eitel sein, denke ich – bis ich das schlampige Bild sehe, das mir entgegenblickt. Es ist kaum auszumachen, welcher Teil genau nun für dieses schlampige Aussehen verantwortlich ist. Meine Haut sieht eigentlich ganz gut aus. Die Akne habe ich mittlerweile hinter mir gelassen – na gut, der Begriff Akne ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber ich habe lange Zeit zu dem ein oder anderen Pickel geneigt. Vielmehr stelle ich fest, dass es an meinem Haar liegt. Quasi über Nacht muss ich Spliss bekommen haben – ich muss dringend zum Friseur! Und was ist das hier? Etwa ein graues Haar? Hilfe!
Warum kümmert es mich eigentlich, wenn ich doch nur kurz Lilly zur Schule bringe? Die Wahrheit ist, dass ich mich für die Zeit danach hübsch mache, da ich nicht vorhabe, den Morgen allein zu verbringen. So, wie ich jetzt aussehe, kann ich mich aber keinesfalls mit Chris treffen. Schnell renne ich nach oben und durchforste die beinahe leeren Kleiderstangen.
»Hier sieht es ja aus wie in einem Modegeschäft!«, hat Liz bei der Hauseinweihungsparty festgestellt, als ich ihr meine Sammlung von Vintagekleidern gezeigt habe. Jetzt allerdings sieht es eher nach einem geplünderten Schlussverkauf aus! Liz hat mir damals ihr System erklärt, das darin besteht, nur einen kleinen Kleiderschrank zu besitzen, ein Erbstück, in das all ihre Kleider hineinpassen. Wenn sie etwas Neues kaufen will, muss ein älteres Stück weichen. So einfach ist das. Manche Leute sind doch wirklich komisch, finde ich.
Seitdem wir nach Reedby gezogen sind, war ich mit keiner Freundin mehr Kaffeetrinken. In London habe ich mich beinahe regelmäßig jede Woche mit der einen oder anderen Freundin getroffen. Lotte und ich besuchten immer das Deli Come Café in Ealing, oft bin ich aber auch mit Daisy in die Stadt hineingefahren und habe mich dort mit alten Arbeitskollegen zum Mittagessen und Plaudern getroffen. Nun rede ich mir also ein, dass dies der Grund ist, warum ich
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