Ein Cowboy aus Manhattan
dann? Und wieso sollte ich mir einen Prozeß wegen Totschlags an
den Hals hängen, mit Pattie und den zwei Fernfahrern als Belastungszeugen? Also
brauchte ich unbedingt eine Ablenkung, und für diesen Zweck schien der Rotkopf
bestens geeignet. Ich packte Pattie und nahm sie auf den Arm, erleichtert, daß
sie höchstens fünfzig Kilo wog.
»Fang!«
sagte ich zu dem Barkeeper und warf ihm das quietschende Paket zu.
Jetzt
mußte er schnell denken, und ich war froh, daß er richtig dachte. Wenn er
Pattie auffangen wollte, mußte er beide Arme frei haben, und wenn er beide Arme
frei haben wollte, mußte er den Baseballschläger fallen lassen. So ließ er ihn
fallen, fing sie erfolgreich auf und lächelte zufrieden, denn er hatte etwas
Gutes getan. Ich hob den Schläger auf und zog ihm eins über die rechte
Kniescheibe. Er stieß ein rauhes Jammern aus und sank
langsam seitlich weg. Leider dachte er nicht daran, erst loszulassen, und so
fiel er auf sie. Ihr lautes Schreien verstummte abrupt, als ihr die Luft aus
den Lungen gequetscht wurde, ich schwang den Schläger versuchsweise durch die
Luft, daß es pfiff, und plötzlich hatten die Fernfahrer alles Interesse verloren,
drehten mir den Rücken zu und tranken weiter.
Um
sieben war ich wieder im Hotel, und es blieb noch eine Stunde bis zu meiner
Verabredung mit Virginia Bailey. Genug Zeit zum Duschen und Umziehen. Revolver
und Halfter versteckte ich wieder in der Schublade, denn ich dachte mir, daß
ich ihn in einem anständigen Country Club nicht brauchen würde. Dann machte ich
mir etwas zu trinken und fragte mich, ob die Geschichte von Joe Hill nicht doch
etwas übertrieben war: ich dachte immer noch nach, als das Telefon ging.
»Mr.
Boyd?« Es war dieselbe zögernde Stimme, die morgens um zehn eingehängt hatte.
»Ja«,
sagte ich.
»Würden
Sie so gut sein und mir eine Frage ehrlich beantworten, Mr. Boyd?«
»Ich
will’s versuchen«, sagte ich vorsichtig.
»Warum
wollen Sie mit Freunden von Joe Hill Kontakt aufnehmen?«
Ich
hatte keine Ahnung, was nun die richtige Antwort war, so drückte ich mir den
Daumen und sagte: »Weil sie einen Freund um eine Menge Geld betrogen haben.«
Ihr
erleichterter Seufzer war deutlich hörbar. »Ich kann Ihnen helfen, sie zu
finden, Mr. Boyd, aber ich habe Angst. Sie sollten auch Angst haben, denn mit
dieser Anzeige haben Sie sich zur Zielscheibe gemacht.«
»Das
kann ich mir gar nicht vorstellen«, sagte ich. »Aber ich wäre dankbar, wenn Sie
mir helfen könnten, sie zu finden.«
»Das
wird gefährlich für Sie. Ich glaube, es ist fair, wenn ich Sie gleich darauf
hin weise.«
»Ich
weiß, daß ich ein Risiko eingehe«, sagte ich geduldig.
»Ich
kann am Telefon nicht mehr sagen«, meinte sie rasch. »Vielleicht sollten wir
uns morgen treffen?«
»Gut.
Wann und wo?«
»Am Seaview Crescent ist ein kleines Lokal, eine
nachgemachte englische Teestube«, sagte sie. »Touristen gehen gern dorthin,
weil es zwischen den Antiquitätengeschäften liegt. Können Sie morgen früh um
elf dort sein?«
»Sicher.
Und wie erkenne ich Sie?«
»Ich
werde Sie schon entdeckten, Mr. Boyd«, sagte sie und hängte ein.
5
Der
Klub war wie die meisten seiner Art eine Art exklusiver Friedhof für mittelalterliche
Mittelständler, die meinten, es geschafft zu haben, und um halb elf wurde der
Glanz zunehmend schäbiger. Wir hatten im Restaurant gegessen, und die in Whisky
konservierten Ungeheuer an den Kartentischen betrachtet und in jeder der drei Bars
etwas getrunken. Schließlich schleppten wir uns zurück in die Mexico-Bar — man
merkte gleich, warum sie so hieß, denn jemand hatte einen Sombrero an die Wand
genagelt — und bestellten noch eine Runde. Wir setzten uns in eine Nische, und
der erste Schluck bestätigte meinen Verdacht, daß der Bourbon verwässert war.
»Mir
ist ganz plötzlich etwas eingefallen«, sagte Virginia niedergeschlagen. »Was,
zum Kuckuck, tun wir eigentlich hier, Boyd?«
»Sehr
gute Frage, Miss Bailey«, gab ich zu. »Ihr Vater muß ein Masochist sein, wenn
er hier Stammgast ist.«
»Ich
habe niemanden gesehen, der auch nur entfernt wie Joe Hill aussieht«, sagte
sie, »und von seinen Freunden auch keine Spur. Vielleicht kommen sie nicht mehr
her.«
»Ich
glaube, Sie haben recht«, stimmte ich zu. »Lassen Sie uns hier verschwinden,
ehe wir den Rest unseres kümmerlichen Verstands verlieren.«
»Virginia,
Liebling!« flötete ein Sopran von irgendwo aus dem Raum. »Wie reizend,
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