Ein Cowboy zum Verlieben: In einer zärtlichen Winternacht (German Edition)
Lincoln vorsichtig. Ihre Mutter war ein heikles Thema. Lincoln konnte damit umgehen, dass sie ein wenig anstrengend war, während Wes noch immer zu hoffen schien, dass sie sich irgendwann änderte. „Ich habe sie zum Bahnhof gebracht, aber von dir war weit und breit nichts zu sehen.“
Diesmal klang Wes’ Lachen freudlos. „Sie hat Fred Willands Sohn Charlie mit einer Nachricht in die Redaktion geschickt. Natürlich hätte ich mir mit dem Papier höchstens eine Zigarre angesteckt, wenn es nicht um Gracie gegangen wäre.“
Wes würde sich genauso wenig ändern wie Cora. Beide warteten darauf, dass der andere seine Fehler einsah und Buße tat wie ein reuiger Sünder in der Kirche. Doch das würde wohl erst geschehen, wenn die Hölle gefror.
„Findest du es falsch, dass ich Gracie an Santa Claus glauben lasse?“, wechselte Lincoln das Thema.
Wes ließ den Steigbügel herunter und zerrte einmal kurz an dem Sattel, um sich zu versichern, dass er fest saß. Dann schwang er sich hinauf. „Sie ist noch ein Kind“, sagte er. In der Dunkelheit konnte Lincoln sein Gesicht nicht sehen. „Kinder müssen an etwas glauben, solange sie können. Ich lasse den Esel für ein oder zwei Tage hier, falls es dir nichts ausmacht.“
Lincoln nickte, trat einen Schritt vor und versuchte, einen besseren Blick auf das Gesicht seines Bruders zu erhaschen, doch umsonst. Er hielt das Pferd an den Zügeln fest. „Glaubst du an irgendetwas, Wes?“, fragte er dann, selbst erstaunt darüber, wie wichtig ihm die Antwort war.
Sein Bruder seufzte. „Ich glaube an Kate. Ich glaube an Poker und Whiskey und den heiligen Wert einer guten Zigarre. Ich glaube an Gracie, und – verdammt, ich sollte langsam wieder nüchtern werden – ich glaube, dass du ein gutes Urteilsvermögen hast, kleiner Bruder. Nutze es. Lass diese Lehrerin nicht wieder gehen.“
„Ich kenne sie erst seit gestern.“
„Vielleicht ist das ja lang genug“, antwortete Wes.
Als Lincoln die Zügel losließ, salutierte Wes einmal übermütig, bevor er zur Stalltür ritt und unter der Tür den Kopf einzog.
„Reib dein Pferd ab, wenn du wieder in der Stadt bist“, rief Lincoln seinem Bruder hinterher. „Binde es nicht einfach an dem Pfosten vor dem Saloon an.“
Keine Antwort. Vielleicht hatte Wes ihn nicht gehört.
Höchstwahrscheinlich aber doch. Vermutlich hielt er es einfach nicht für nötig, seinem Bruder zu antworten.
Die Truthähne hatte Tom mit Bindfäden umwickelt und hoch oben in einen Baum gehängt, damit sie kalt blieben, aber nicht von Wölfen oder Kojoten gefressen wurden. Von ihrem Platz an der Spüle aus sah Juliana durch das Fenster, wie die blassen Körper im Wind schaukelten.
Sie war sicher, nie mehr im Leben Hunger zu haben.
Hinter ihr, am Tisch, paffte Tom eine Maiskolbenpfeife. Der Tabak duftete nach Kirschen. Joseph las mühselig und mit eintöniger Stimme drei Seiten eines Charles-Dickens-Roman vor. Die anderen Kinder hatten es sich im Wohnzimmer in der Nähe des Kamins bequem gemacht. Als Juliana das letzte Mal nach ihnen gesehen hatte, hatten Theresa und Gracie Dame gespielt, während Daisy eine von Gracies Puppen untersuchte und Billy-Moses Holzklötze aufeinanderstapelte, um sie umzuwerfen und erneut zu stapeln.
Der Nachmittag zog sich dahin, und Juliana fragte sich, wann Lincoln wohl zurückkommen würde und wann sie die Möglichkeit hätten, unter vier Augen zu sprechen, und ob sie anfangen sollte, das Abendessen zu kochen oder nicht.
Es war ja nicht so, dass sie nicht kochen
wollte
. Als junges Mädchen war es ihr nicht erlaubt gewesen, sich in der Nähe der Küche aufzuhalten. Der Koch wollte nicht, dass ihm Kinder in die Quere kamen. Und in jeder Schule, in der sie bisher unterrichtet hatte, hatte es einen gemeinsamen Speisesaal gegeben.
Sie dachte wieder an den verbrannten Weihnachtstruthahn, an den Joseph sie erinnert hatte. Etwas davon hatten sie retten können, indem sie um die verkohlten Stücke herumgegessen hatten. Danach hatten Theresa und Mary Rose sich um das Essen gekümmert. Wahrscheinlich hatten sie es satt, Haferbrei und gekochte Bohnen zu essen, das einzige Gericht, das Juliana nach dem Studium eines alten Kochbuchs zustande brachte.
Ein schnappendes Geräusch ließ sie zusammenfahren. Hastig drehte sie sich um.
Joseph hatte den Charles-Dickens-Roman zugeklappt. „Fertig“, verkündete er. „Kann ich …
darf
ich nun rausgehen und Tom bei der Arbeit helfen?“
Juliana blinzelte. Joseph hätte genauso gut
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