Ein Cowboy zum Verlieben: In einer zärtlichen Winternacht (German Edition)
sie verzagt. In diesem Moment trauerte sie um so viel mehr als nur um das Beste ihrer drei Kattunkleider. Um ihre Mutter. Ihren Vater. Um Grandma und Clay. Sie hatte sie alle verloren, und sie könnte es nicht ertragen, noch mehr Menschen zu verlieren.
„Es gibt andere Kleider“, sagte Lincoln, hob sie wieder hoch und trocknete sie mit einem groben Handtuch ab. Dann zog er ihr ein Nachthemd über den Kopf. Es fühlte sich weich an und duftete – nach Rosenwasser und Talkumpuder –, und es war nicht ihres.
Einen Arm um ihre Taille geschlungen, führte er Juliana hinaus auf den Flur und wieder an dem Zimmer vorbei, das sie mit Billy-Moses und Daisy teilte.
„Die Kinder“, protestierte sie.
„Theresa ist bei ihnen“, erklärte er.
Er brachte sie in sein Zimmer – ein leichter, unkeuscher Schauer durchfuhr sie bei der Erkenntnis – und legte sie in sein Bett.
Sie begann vor Müdigkeit und Erleichterung zu weinen, weil da draußen in der winzigen Hütte die Trauer so nah gewesen und doch vorbeigezogen war. Für heute.
Lincoln setzte sich auf den Rand der Matratze und streifte sich die Stiefel von den Füßen. Im nächsten Moment lag er neben ihr unter der Bettdecke, vollkommen angekleidet, und hielt sie fest. In diesem Moment wusste Juliana nur zwei Dinge: Jetzt war es endgültig um sie geschehen, und sie würde sterben, wenn er sie losließ.
Er ließ sie nicht los. Mehrmals in dieser Nacht wachte sie auf, jedes Mal mehr bei Sinnen, und immer spürte sie seine Arme um sich und seine warme Brust an ihrer Wange.
Als sie das nächste Mal die Augen öffnete, schaute sie Lincoln direkt ins Gesicht. Alle Erschöpfung war verschwunden. Bald würde der Tag anbrechen.
„Da wir nun schon eine Nacht das Bett geteilt haben“, sagte er sehr vernünftig, als ob er dieses Problem seit Stunden hin und her gewälzt und endlich die Lösung gefunden hätte, „finde ich, dass wir auch gleich heiraten können.“
Juliana starrte ihn an, die Augen so weit aufgerissen, dass es beinah wehtat. „Heiraten?“
Er lächelte nur.
Sie schluckte. „Aber … bestimmt …“
Mit einem Quietschen wurde die Tür aufgestoßen. „Papa?“, ertönte Gracies Stimme. „Theresa kann Miss Mitchell nicht finden und …“
Juliana wollte sich die Decke über den Kopf ziehen und sich verstecken, aber dafür war es zu spät. Gracie, flink wie eine Elfe, stand bereits neben dem Bett.
„Oh“, sagte sie mit vergnügt unschuldiger Stimme. „
Da
sind Sie!“
„Gracie …“, begann Lincoln.
Doch Gracie schnitt ihm das Wort ab: „Theresa!“, brüllte sie. „Ich habe Miss Mitchell gefunden. Sie ist hier im Bett von meinem Pa!“
Ein lautes Stöhnen kam über Julianas Lippen.
Lincoln lachte. „Miss Mitchell muss dir etwas sagen, Gracie.“
„Was denn?“, fragte Gracie neugierig.
Juliana holte tief Atem und stieß ihn dann langsam wieder aus. „Dein Vater und ich werden heiraten“, verkündete sie.
„Dann bekomme ich eine Mom?“, schrie Gracie begeistert. „Das ist noch besser als ein
Wörterbuch
!“
„Du gehst jetzt wieder zurück ins Bett“, befahl Lincoln seiner Tochter.
Sie gehorchte überraschend bereitwillig, drehte sich um und tanzte regelrecht auf die Tür zu.
„Das“, flüsterte Juliana empört, „war wirklich
sehr
hinterhältig.“
Er setzte sich auf, die Kleidung zerknittert, schwang die Beine aus dem Bett und beugte sich vor, um die Stiefel anzuziehen. Dabei summte er leise vor sich hin, es klang aber eher nach einem unterdrückten Gelächter.
„Sobald der Schnee etwas geschmolzen ist, werde ich nach jemandem schicken, der uns trauen kann. Vielleicht der Friedensrichter, denn der Pfarrer kommt nur vorbei, wenn ihm gerade der Sinn danach steht“, erklärte er, als ob sie überhaupt nichts gesagt hätte.
Natürlich hätte sie protestieren können, doch aus irgendeinem Grund tat sie das nicht.
Lincoln legte noch etwas Holz nach, bis das Feuer knisternd prasselte. „Schlaf noch ein bisschen“, sagte er. „Ruh dich aus.“
Die Bettdecke bis zum Kinn gezogen, lag Juliana da und dachte darüber nach, was eben geschehen war. Sie hatte einen Heiratsantrag angenommen – gewissermaßen. Es war vollkommen anders verlaufen, als sie es sich immer vorgestellt hatte, und zwar sowohl als junges Mädchen wie auch als erwachsene Frau.
Das war alles nicht richtig.
Es war schrecklich unromantisch.
Warum also verspürte sie so eine sonderbare Freude, warum hatte sie das unbändige Bedürfnis, zu singen?
Es
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