Ein Dämon dreht durch
Heute dagegen erregten sie meine Aufmerksamkeit, vielleicht auch nur durch den Kontrast, den sie zu den Schwindlern boten, die dieselbe Gegend bei Nacht bevölkerten.
Die Burschen, die hier bei Nacht herumlungerten, waren ein räuberisch gesinnter Haufen, die allem Anschein nach nur dann dazu bereit waren, einen Teil des Geldes für eine Gegenleistung einzutauschen, wenn sie der Meinung waren, daß sie einen nicht gleich niederschlagen konnten, um sich alles zu nehmen. Die Tageshändler dagegen sahen eher aus wie Kleinkrämer, die hinter ihren zusammenklappbaren, provisorischen Verkaufsständen standen, lächelten oder irgendwelche Passanten ansprachen, wenn sie zufällig stehenblieben, um ihre Waren zu begutachten. Ihr Verhalten wirkte weniger finster und bedrohlich als verstohlen. Und die ganze Zeit blickten sie die Straße hinauf und hinunter, als fürchteten sie, beim Handehn erwischt zu werden.
»Ich frage mich nur, wonach die ständig Ausschau halten?« sagte ich wie zu mir selbst. Für einen Augenblick hatte ich Kalvin ganz vergessen, der in Hörweite neben mir schwebte.
»Wer? Die da? Die halten wahrscheinlich Ausschau nach der Polizei.«
»Nach der Polizei? Warum denn?«
»Aus den üblichen Gründen ... Weil es illegal ist, was sie tun.«
»Das ist es?«
Ich hegte keinerlei Wünsche nach einem erneuten Zusammenstoß mit der Polizei, war aber ehrlich verwundert. Vielleicht entging mir ja etwas, aber irgendwie konnte ich an den Aktivitäten der Straßenhändler nichts Unrechtes erkennen.
»Ich vergesse es doch immer wieder. Du stammst ja vom Bazar auf Tauf«, lachte der Djinn. »Du mußt wissen, Skeeve, daß man in den meisten Gegenden, anders als im Bazar, eine Zulassung braucht, um als Straßenhändler tätig zu sein. So wie die aussehen, können diese armen Teufel sich das nicht erlauben. Wenn sie es könnten, besäßen sie wahrscheinlich einen Laden und würden nicht auf der Straße arbeiten.«
»Du meinst, das ist alles, was sie haben? Es sind keine Händler für größere Konzerne?«
Auf Tauf waren die meisten Straßenhändler Angestellte größerer Unternehmen, die morgens ihre Ware abholten und abends am Ende ihrer Schicht zurückbrachten, was sie nicht verkauft hatten. Ihre besondere Strategie bestand darin, wie Kleinunternehmer auszusehen, damit jene Touristen, die sich davor fürchteten, in einem Ladengeschäft oder -zelt übers Ohr gehauen zu werden, bei ihnen kauften, natürlich in der Annahme, sie seien ihnen überlegen und könnten einen besseren Preis herausschinden. Nie war mir der Gedanke gekommen, daß die Straßenhändler, die ich gesehen hatte, tatsächlich kleine EinMann-Unternehmen sein könnten.
»So ist es«, sagte Kalvin gerade. »Du bekommst genau das, was du siehst. Die meisten dieser Leute haben ihre gesamten Lebensersparnisse in. He! Wo gehst du hin?«
Ich ignorierte ihn und trat forsch auf einen der Händler zu, den ich tatsächlich am Vortag bemerkt hatte. Er befand sich immer noch an derselben Stelle, hinter einer Decke kauernd, die mit Sonnenbrillen und billigen Armreifen bedeckt war. Er war mir gestern aufgefallen, weil er sehr jung war, noch jünger als ich. Angesichts der Langlebigkeit der Perfekter bedeutete das wirklich jung.
»Gefällt Ihnen etwas?« fragte er und ließ seine spitzen Zähne blitzen, was mich wahrscheinlich ganz schön aus der Fassung gebracht hätte, wäre ich nicht an Aahz’ Grinsen gewöhnt gewesen.
»Eigentlich habe ich darauf gehofft, daß Sie mir ein paar Fragen beantworten könnten.«
Das Lächern verschwand.
»Sind Sie Reporter oder so was?«
»Nein. Einfach nur neugierig.«
Er runzelte die Stirn und blickte sich um.
»Schätze, das geht wohl in Ordnung, solange es keine zahlenden Kunden abschreckt. Geld ist nämlich Zeit, müssen Sie wissen.«
Zur Antwort warf ich eine Goldmünze auf seine Decke.
»Dann nennen Sie mich eben einen Kunden, der gerade etwas von Ihrer Zeit gekauft hat. Sagen Sie mir Bescheid, wenn sie abgelaufen ist.«
Eine schnelle Handbewegung, und die Münze war verschwunden, statt dessen wurde sein Gesicht wieder ein grausiges Land des Lächelns.
»Mister, jetzt haben Sie meine Aufmerksamkeit. Stellen Sie Ihre Fragen.«
»Warum tun Sie das?«
Aus dem grausigen Lächeln wurde eine grausige Grimasse.
»Weil ich eigentlich von meinen Zinsen leben könnte und es einfach mehr genieße, im Regen herumzusitzen und vor den Bullen wegzulaufen, warum wohl sonst? Ich tue es wegen des Geldes, genau wie alle
Weitere Kostenlose Bücher