Ein Dämon dreht durch
anderen.«
»Nein. Ich meine, warum tun Sie das hier für Geld, anstatt sich einen Job zu besorgen?«
Eine Weile musterte er mich mit seinen gelben Perfekteraugen, dann zuckte er die Schultern.
»Also gut«, meinte er. »Ich werde Ihnen geradeheraus antworten. Man wird nicht reich, wenn man für andere arbeitet ... schon gar nicht in jenen Jobs, für die ich qualifiziert wäre. Ich stamme nämlich nicht aus reichem Hause. Alles, was meine Eltern mir vermacht haben, war mein Name. Danach war ich die meiste Zeit auf mich selbst gestellt. Ich habe keine besonders aufregende Schulbildung aufzuweisen, und meine Familie hat, wie ich schon andeutete, keine nennenswerten Beziehungen. Ich kann also keinen Job bei einem alten Kumpel meines Vaters bekommen, oder so. Das heißt, daß ich ganz unten anfangen muß, und daß ich wahrscheinlich dort auch enden werde. Jedenfalls habe ich lange über die Sache nachgedacht und bin zu dem Schluß gekommen, daß ich etwas mehr vom Leben haben will.«
Ich überlegte mir eine taktvolle Formulierung des Inhalts, daß mir das, was er da tat, immer noch ziemlich am Ende der gesellschaftlichen Leiter zu liegen schien.
»Und Sie meinen also, daß das hier besser ist, als für einen anderen zu arbeiten und möglicherweise Aufstiegschancen zu haben?«
Stolz hob er den Kopf.
»Das habe ich nicht behauptet. Das ist doch nur eine Möglichkeit, Kapital für ein größeres Unternehmen aufzutreiben. Ich setze alles auf meine eigenen Fähigkeiten. Wenn es funktioniert, streiche ich sämtliche Gewinne ein, anstatt ein Gehalt zu bekommen, und kann mich besseren Dingen widmen. Und wenn es gut genug funktionieren sollte, dann habe ich mehr, was ich meinen Kindern weitergeben kann, als meine Eltern es hatten. Und wenn nicht. Na schön, dann stehe ich auch nicht schlechter da als am Anfang.«
»Sie haben Kinder?«
»Wer, ich? Nein ... das heißt, noch nicht. Eines Tages vielleicht. So, wie die Dinge im Augenblick laufen, kann ich mir nicht einmal eine feste Freundin leisten, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Genaugenommen wußte ich es eigentlich nicht. Ich besaß zwar selbst jede Menge Geld, aber keine Freundin. Deshalb hatte ich auch nicht die leiseste Vorstellung, wie teuer sie einen zu stehen kommen konnte.
»Nun, ich würde sagen, das ist wirklich ein edles Ziel, das Sie sich da gesetzt haben ... etwas aufzubauen, um es Ihren Kindern vermachen zu können.«
Da lachte er und ließ wieder seine Zähne blitzen.
»Nun stellen Sie mich nur nicht zu edelmütig hin«, meinte er. »Ich will Ihnen nichts vormachen. Natürlich möchte ich auch ein paar Happen vom Leben haben, beispielsweise in prächtigen Hotels absteigen und in Taxis herumfahren. Einen Teil der Gewinne würde ich schon selbst verbrauchen, bevor ich sie an meine Kinder weitergebe.«
Plötzlich wurden mir die Unterschiede unserer wirtschaftlichen Situation bewußt. Das, wovon er träumte, war für mich fast selbstverständlich.
»Naja ... Schön, ich muß jetzt gehen. Ach so! Was war das überhaupt für einer?«
»Was war was?«
»Der Name, den Ihre Eltern Ihnen vermachten.«
»Nichts sonderlich Tolles«, sagte er und schnitt eine Grimasse. »Meine Freunde nennen mich einfach J. R.«
Hastig zog ich mich zu meinem wartenden Taxi zurück.
»Worum ging das?« wollte Edvik wissen, als ich mich in den Sitz fallen ließ.
»Oh, ich war nur neugierig, was diese Straßenhändler so bewegt.«
»Die? Wozu die Mühe? Das ist doch nur ein Haufen kleinkrä-merischer Halsabschneider, die sich mit Erbsenzählen begnügen. Aus denen wird nie etwas.«
Die plötzliche Heftigkeit in seiner Stimme überraschte mich. Keine Frage - von heimlicher Liebe keine Spur. Mir fiel auf, daß Edviks Einschätzung der Straßenhändler ziemlich genau mein eigenes Ersturteil über seine unternehmerischen Bemühungen mit dem Taxi und dem Selbstverlag widerspiegelte.
Und während ich über mein Gespräch mit J. R. nachdachte, fiel mir auch ein, daß ich wohl noch viel mehr Glück gehabt hatte, als ich ohnehin schon glaubte, damals, als ich damit anfing, Magik zu studieren ... erst bei Garkin und dann bei Aahz. Ich brauchte nicht sonderlich viel Einbildungskraft, um mich in Gedanken selbst als Straßenhändler zu sehen, immer vorausgesetzt, daß ich überhaupt jemals soviel Eigeninitiative aufgebracht hätte.
Alles in allem war das kein sonderlich beruhigender Gedanke.
Kapitel 10
Geld allein macht auch nicht unglücklich.
H. HUGHES
»Und, wo geht es heute hin,
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