Ein delikater Liebesbrief
begrüßten, erwähnte er etwas, das Rees zu ihm gesagt hatte. Und ich … ich will einfach nichts von Rees hören.«
»Aber du hast dich doch schon vor einer Ewigkeit von deinem Mann getrennt, Helene«, wandte Esme ein, obschon sie genau wusste, dass sie sich die Mühe sparen konnte.
»Ist mir gleich. Ich will weder von meinem Mann hören noch an ihn denken und leider bringt Darby ihn mir bei jeder unserer Begegnungen in Erinnerung.«
»Sie sind nun einmal befreundet – und außerdem grundverschieden, nicht wahr? Darby ist in puncto Herrenmode in der guten Gesellschaft tonangebend, während Rees …«
»… in puncto Kleidung so nachlässig ist wie eh und je«, fuhr Helene fort. »Du hast ja auch recht mit deiner Ansicht, dass sie grundverschieden sind. Darby ist stets diskret; Rees hingegen liebt es, seine schmutzige Wäsche vor aller Augen im Hyde Park aufzuhängen.«
»Könntest du – bitte – deine Entscheidung noch einmal überdenken?«, fragte Esme am Rande der Verzweiflung. »Ich würde nicht darum bitten, wenn ich mich hier nicht so allein fühlen würde …«
»Ich kann seine Gegenwart einfach nicht ertragen. Wenn ich Darby nur anschaue, möchte ich ihn anbrüllen, weil er es zugelassen hat, dass Rees diese Opernsängerin in unser Haus geholt hat!« Sie besann sich. »Allerdings ist das wohl kaum Darbys Schuld. Aber ich kann es einfach nicht ertragen, an meinen Mann erinnert zu werden. Du musst mich bitte entschuldigen.«
»Es ist meine Schuld, dass ich dich überhaupt gefragt habe.« Esme war erschrocken über den Schmerz in Helenes Stimme. »Du bist im Allgemeinen so beherrscht, dass ich immer wieder vergesse, wie wütend du auf deinen Ehemann bist. Es war unverzeihlich von mir. Ich komme schon zurecht. Außerdem habe ich eine neue Freundin gefunden, glaube ich.«
»Lady Henrietta Maclellan? Ich mag sie sehr. Gestern beim Tee bewies sie einen wachen Verstand, wie ich fand.« Dies war Helenes höchstes Lob. »Wird sie heute Abend auch kommen?«
»Ich hoffe es«, erwiderte Esme, während sie ihren Weg zum Haus fortsetzten. »Bleib aber noch heute Abend, Helene, ja? Sollte ich tatsächlich die gesamte Grafschaft schockieren mit der Ungeheuerlichkeit, einen Empfang während meines Trauerjahres zu geben, dann wäre ich doch sehr dankbar, wenn du in dieser schweren Stunde an meiner Seite stündest.«
Helene nickte auf ihre zugeknöpfte Art, die deutlich machte, dass sie im Grunde lieber sofort abgereist wäre, jedoch noch bleiben würde.
»Ich danke dir«, sagte Esme und küsste die Freundin auf die Wange.
»Ich werde auch nur kurz bei meiner Tante verweilen«, versprach Helene. »Lange vor dem Geburtstermin des Babys bin ich wieder zurück.«
»Vermutlich wirst du mich dann nicht mehr erkennen«, meinte Esme mürrisch. »Ich sehe ja jetzt schon wie ein wandelnder Elefant aus.«
Helene lachte. »Wie ein sehr kleiner Elefant, Darling.«
6
Jugend und Spott gehen oft miteinander einher
Holkham House
Limpley Stoke
»Ich kann einfach nicht glauben, dass Mr Darby tatsächlich nach Wiltshire gekommen ist!« Lady Imogen Maclellan strahlte ihre Stiefschwester an. »Wer hätte das gedacht? Emilia Figgleton hat mir alles über ihn erzählt. Sie hat ihn einmal persönlich bei Almack’s gesehen, aber natürlich hat er nicht gebeten, ihr vorgestellt zu werden. Meinst du, ich sollte mein neues Kleid tragen, Henrietta? Es ist gestern geliefert worden. Du weißt schon, das bestickte Kleid aus indischem Musselin. Allerdings hat Mrs Pinnock mir …«
In diesem Augenblick erschien ihre Mutter auf der Türschwelle und unterbrach Imogens Geplapper. »Guten Abend, meine Lieben«, begrüßte Millicent Maclellan, Herzoginwitwe von Holkham, ihre Töchter. »Wir sollten uns allmählich auf den Weg machen.«
»Mama, weißt du, wer sich das gleiche Kleid ausgesucht hat wie ich?«, fragte Imogen in dem affektierten Ton, den sie sich in letzter Zeit angewöhnt hatte. »Unsere liebe Nachbarin Selina Davenport! Mrs Pinnock hat’s mir erzählt.«
»Oje«, sagte Millicent. Selina Davenport war in Wiltshire als Emporkömmling verschrien. Sie hatte einen Gutsherrn geheiratet, dem mehr an seinen Jagdhunden als an seiner Ehefrau gelegen war. Ungewöhnlich war so etwas nicht, aber es gingen Gerüchte um, dass die halbe Meute im Ehebett schlief. Wo Selina folglich ihre Nächte verbrachte, war ein Gegenstand brennenden Interesses.
»Es ist einfach skandalös«, urteilte Imogen verächtlich. »Ich weiß nicht, warum Selina
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