Ein delikater Liebesbrief
wenn das Kind braune Haare bekommt, könnte es schlicht eine Mischung zwischen deiner und Bonningtons Haarfarbe sein.«
Esme erbleichte.
Helene verfolgte ihren Gedankengang unbarmherzig weiter. »Du würdest Miles wahrlich keinen Gefallen tun, wenn du seinen Sohn vorsätzlich um sein Erbe bringst. Und es gibt nun einmal keine Möglichkeit, den Vater des Kindes mit Sicherheit festzustellen.«
»Vielleicht wird es ja ein Mädchen«, gab Esme mit schwacher Stimme zu bedenken.
»Das wäre wirklich das Beste, besonders von Darbys Standpunkt aus gesehen.«
Esme setzte ihren mühseligen Weg zum Haus fort. »Darby habe ich ja ganz vergessen! Und die Kinder. Wo sollen wir sie nur unterbringen?«
»Die Mädchen finden in der Kinderstube Platz. Darby ist ohne Kindermädchen angereist, deshalb ist es günstig, dass deine alte Kinderfrau bereits hier ist, um dir nach der Geburt des Babys zur Seite zu stehen. Und sie schien sich über die Aufgabe zu freuen. Darby haben wir im blauen Zimmer am Ende des Korridors untergebracht.«
»Oh nein«, stieß Esme hervor. »Ist das nicht das Zimmer mit dem qualmenden Kamin?«
»Geschieht ihm nur recht«, sagte Helene mit einiger Genugtuung. »Schließlich ist er nur deshalb den weiten Weg hergereist, um herauszufinden, ob du ein außereheliches Kind bekommst. Nennen wir die Dinge doch beim Namen.«
Esme fühlte, wie ihr der Mut sank. »Ich sollte ihm lieber die Wahrheit sagen.«
Helene blieb abrupt stehen und packte sie am Arm. »Du wirst nichts dergleichen tun«, sagte sie eindringlich. »Wenn du zugibst, dass es nicht Miles’ Kind sein könnte , entweihst du zum einen Miles’ Andenken und vernichtest gleichzeitig die Zukunftsaussichten deines Sohnes – der im Übrigen ebenso gut Miles’ Kind sein kann . Und das willst du doch bestimmt nicht.«
Esme starrte ihrer Freundin in die Augen. Helene schien immer so überzeugt zu sein, welcher Weg der richtige war. Für Esme hingegen war die ganze Angelegenheit reichlich verworren.
»Und jetzt nimm dich zusammen«, riet Helene. »Du scheinst vergessen zu haben, dass du heute eine Abendgesellschaft gibst. In wenigen Stunden fällt die halbe Grafschaft in diesem Hause ein und du schlummerst friedlich auf dem Rasen.«
»Oh Gott!«, japste Esme. »Den Abend hatte ich ja völlig vergessen!«
»Damit bist du die Einzige«, bemerkte Helene. »Ich kann immer noch nicht verstehen, warum du die halbe Grafschaft vor den Kopf stoßen musst, indem du während deiner Trauerzeit Gäste einlädst.«
»Es ist doch nur ein kleiner Empfang«, sagte Esme kraftlos.
Helene kaute an ihrer Unterlippe und Esme wusste aus langjähriger Erfahrung, dass sie noch etwas auf dem Herzen hatte. »Was noch?«, fragte sie und machte sich auf weitere schlechte Nachrichten gefasst.
»Würde es dich sehr stören, wenn ich meiner Tante Caroline in Salisbury einen kurzen Besuch abstatte? Ich werde natürlich nicht vor deiner Abendveranstaltung abreisen.« Helenes Tante lebte nicht weit entfernt.
»Aber keineswegs«, sagte Esme, obwohl die Aussicht, ohne ihre Freundin auskommen zu müssen, sie sehr bekümmerte. Tatsächlich musste sie an sich halten, um nicht in Tränen auszubrechen.
»Es ist nur, weil Darby Rees’ bester Freund ist.«
»Was spielt denn das für eine Rolle?« Esme suchte verzweifelt nach Gegenargumenten. »Dein Mann ist doch gar nicht hier. Darby ist bloß einer seiner Freunde , Helene, nicht mehr. Du kannst doch nicht allen Freunden von Rees aus dem Weg gehen.« Doch sie wusste bereits, dass Helene am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe zu ihrer Tante abreisen würde. Sobald Helene sich für etwas entschieden hatte, war es unmöglich, sie davon abzubringen.
»Ich fühle mich in Darbys Gegenwart einfach nicht wohl. Er ist immer Rees’ engster Vertrauter gewesen. Als wir noch zusammenlebten, pflegte Rees von Zeit zu Zeit zu verschwinden, und wenn ich wissen wollte, mit wem er zusammen war, lautete die Antwort immer: mit Darby . Ich wusste jedoch, dass er sich mit Opernsängerinnen vergnügte, mit genau der Sorte Frauen, die er später in mein Haus brachte.«
Esme verzog schmerzlich das Gesicht, eine Reaktion auf Helenes heftige Worte. »Aber das ist doch Jahre her, Helene. Jahre. Herrgott, Darby hat wahrscheinlich nicht einmal gewusst, dass Rees ihn als Entschuldigung missbrauchte.«
»Vielleicht«, gab Helene zu. »Aber ich bezweifle es. Sie verbringen unheimlich viel Zeit zusammen, diese beiden. Und als wir uns heute ganz flüchtig
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