Ein delikater Liebesbrief
brüstete sich damit, dass sie ihre Kinder nicht öfter als zweimal im Jahr sah. Sie war der Meinung, dies wäre die beste Art, Kinder aufzuziehen. Und der ach so großartige Mr Darby erkannte nicht einmal seine niedliche Schwester.
Dies war doch der springende Punkt: Sie, Henrietta Maclellan, war dazu verdammt, Kinder leidenschaftlich zu lieben, während ihre Hüfte sie davon abhielt, jemals welche zu bekommen. Sie versuchte krampfhaft, sich selbst davon zu überzeugen, dass die Leitung der Dorfschule ein ausreichender Ersatz war. Zudem war sie mit einem ausgezeichneten Verstand gesegnet – zumindest redete sie sich das oft ein – und hatte längst erkannt, wie langweilig Ehemänner sein konnten.
»Wenn ich einen Ehemann hätte, wäre mein Leben unerträglich öde«, betonte sie. »Ich würde vorgeben müssen, sein Gerede über Frettchen und Jagdhunde interessant zu finden. Männer sind selbstsüchtige Dummköpfe. Nimm zum Beispiel diesen Darby. Er war so von der eigenen Wichtigkeit überzeugt, dass er doch tatsächlich versuchte, seine Londoner Spielchen mit mir zu spielen. Mit mir !«
»Deshalb also willst du das Kreppkleid tragen«, gurrte Imogen. »Da hätte ich ja gleich draufkommen können! Sieht er schrecklich gut aus? Emilia hat mir erzählt, dass sämtliche Mädchen in London zu gern mit ihm tanzen würden. Mit einem einzigen Kompliment könnte er dich zu einer der begehrtesten Damen der Stadt machen.«
»Mir ist noch kein eingebildeterer Mann begegnet«, versetzte Henrietta der Begeisterung der Jüngeren einen Dämpfer. »Du hättest nur sehen sollen, wie gequält er dreinschaute, als er feststellen musste, dass sein Halstuch zerknittert war.«
»Darby muss einfach erkannt haben, wie hübsch du bist! Hat er dir den Hof gemacht? Willst du deshalb dein schönstes Kleid tragen?«
Henrietta lachte laut los. »Ach, Imogen, hör doch auf! Warum in aller Welt sollte ich mein Erscheinungsbild ändern, nur weil ein französisierter Londoner Beau zufällig ein paar Tage auf dem Land in Wiltshire verbringt? Der Mann interessiert sich nicht für mich. Und was noch wichtiger ist: Ich interessiere mich nicht für ihn. Ich habe mir schon gestern überlegt, das Kreppkleid zu tragen. Wie ich dir bereits sagte, habe ich beschlossen, keines meiner Kleider für eine bessere Gelegenheit aufzuheben.«
»Ich glaube dir nicht«, beharrte Imogen trotzig.
»Meine schlimme Hüfte ist eigentlich ein Segen«, fuhr Henrietta erklärend fort. »Papa hätte mich sonst verheiratet, sobald ich in die Gesellschaft eingeführt …«
»Du bist doch gar nicht eingeführt worden.«
»Wäre ich aber, wenn ich nicht dieses Gebrechen hätte. Und wahrscheinlich wäre ich an den Meistbietenden verschachert worden, an einen Mann, der vermutlich nicht einmal meinen Namen gekannt, sondern es nur auf Papas Besitz abgesehen hätte. Wäre ich damals verheiratet worden, dann dürfte ich mittlerweile eine beklagenswert gelangweilte Frau sein.«
»Ich wurde verheiratet, bevor ich in die Gesellschaft eingeführt wurde«, warf Millicent ein. »Und ich möchte mich keineswegs als gelangweilte Frau bezeichnen. Ich habe zwei der bezauberndsten Töchter der ganzen Christenheit und überdies, Henrietta, habe ich die Gespräche mit deinem Vater stets anregend gefunden. Seine Kenntnisse über die Natur des Frettchens waren wirklich umfassend.«
Henrietta grinste ihre Stiefmutter an. »Du fandest seine Erzählungen deshalb interessant, Mutter, weil du die sanftmütigste Frau in der ganzen Grafschaft bist. Ich aber kann am Morgen kein dumpfes Gespräch über die Jagd ertragen, dem beim Abendessen eine ebenso ermüdende Aufzählung der getöteten Tiere folgt. Ich fürchte, dann würde mein Temperament mit mir durchgehen.«
»Das denkst du nur, weil du noch nie verliebt warst«, gab Millicent zu bedenken.
»Wenn du eingeführt worden wärest, dann hättest du dich bestimmt schon in der ersten Saison verliebt«, sagte Imogen verträumt. »Ein gut aussehender Herzog hätte dich um den Verstand gebracht und dich vom Fleck weg geheiratet.« Wenn Imogen ihr gekünsteltes Gebaren vergaß, kam eine leidenschaftliche Romantikerin zum Vorschein.
»Es gibt keine gut aussehenden Herzöge«, lachte Henrietta, »sondern lediglich altersschwache.« Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie in London auf Gesellschaften ging und von uralten Gentlemen umworben wurde. Und von den vielen Mitgiftjägern, warnte eine schlaue leise Stimme in ihrem Hinterkopf. Zwar war der
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