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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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Slogans, den sie in der Nacht darauf hinterlassen hatten, gut zu erkennen: »Don’t support blah blah blah.«
    Als sie das Palette-Kino passierten, an dessen karminrote Seitenmauer weithin sichtbar »Die Polizei ist gefährlicher, als du denkst« geschrieben stand, sagte Brenner mit Blick in den Rückspiegel: »Wer das gemacht hat, der kommt nicht mit ein paar Sozialdienststunden davon.«
    Kurz darauf erreichten sie die Polizeidirektion 1 in der Marienstraße. Am Eingang kam ihnen ein Polizist in schwarzer Lederjacke mit weißem POLIZEI-Aufdruck entgegen, blieb vor Brenner stehen und sagte: »Hast du die Sauerei gesehen? Am Rathaus, ander Post, an den Banken und beim HA! Überall! Die Leute reden über nichts anderes als über das Geschmiere!«
    »Ja, hab ich«, antwortete Brenner und klopfte dem Mann, so, als sei dieser persönlich betroffen, aufmunternd auf die Schulter.
    Ein junger Kollege von Brenner nahm Marcs Aussage auf. Als sie eine halbe Stunde später wieder vor dem Polizeigebäude auf der Straße standen, ballte Rachael triumphierend die Faust.
    »Unsere Aktion hat gesessen!«, sagte sie. »Hast du die Reaktionen von dem und seinem Bullen-Kollegen gesehen? Wir haben etwas erreicht, Marc. Das ist doch schon mal was. Offenbar gibt es in Hanau eine Menge Leute, die sich davon angesprochen fühlen. So oder so. Unsere Aktion wird Kreise ziehen. Nachahmer in Offenbach, Darmstadt und Frankfurt auf den Plan rufen. Leute, die genauso denken wie wir. Es ist ein Anfang.«
    »Den Geiseln in Bremen ist damit aber nicht geholfen«, sagte Marc.
    »Vergiss die Geiseln!«, sagte Rachael und zog ihn mit sich fort.
    »Aber darum ging es doch …«, wand Marc ein, aber Rachael hörte ihm nicht zu.
    »Wir haben die Stadt aus ihrem Dämmerschlaf gerissen«, sagte sie unbeirrt. »Jetzt müssen wir weiterkämpfen. Wenn nötig mit Aktionen. Zeigen, dass man nicht wehrlos ist. Dass man etwas tun kann gegen Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Willkür. Gegen Überwachung, Korruption und staatliche Kontrolle!« Sie blieb stehen, fasste ihn an beiden Oberarmen. »Willst du immer im Trott der Herde mitlaufen oder dich für eine Sache engagieren, die dir am Herzen liegt?«
    Bei der Vorstellung, Seite an Seite mit Rachael für eine bessere Welt zu kämpfen, bekam Marc eine Gänsehaut an den Armen.
    »Wir können noch viel mehr tun«, sagte Rachael, als sie in der Milchbar am Freiheitsplatz vor ihren Weißdorn-Shakes saßen.
    »Und was wäre das?«, fragte Marc und sah sie erwartungsvoll an.
    Rachael strich ihm mit dem Finger zärtlich über die Hand. »Es gibt Leute, die bereit sind, noch viel weiter zu gehen. Leute mit klaren Vorstellungen und ohne Angst.«
    »Was für Leute?«
    »Leute, die mir sehr wichtig sind. Die was verändern wollen. Mutige Leute. Wenn du willst, stelle ich sie dir vor.« Sie nippte an ihrem Shake. Dann fischte sie mit dem Strohhalm einen Schaumklecks von der welligen, grünlichen Oberfläche und balancierte ihn vorsichtig in ihren Mund.
    Marc musste kurz an seinen Großvater denken, der keine 500 Meter entfernt, an Maschinen angeschlossen, in seinem Krankenhausbett lag. Sicher war sein Vater schon wieder bei ihm. Später würde er ihn besuchen. Voller Bewunderung sah er Rachael an und dachte: Sie wusste schon immer, was sie will, aber sie hat sich verändert. Sie ist noch zielstrebiger geworden, noch entschlossener. Eine richtige Kämpferin.
    Die Tür ging auf, und Jürgen Wandrey kam mit einer Frankfurter Rundschau unter dem Arm herein, in der anderen Hand hielt er eine Schachtel Zigaretten. Er sah sich kurz in der Bar um und trat an ihren Tisch. Wandrey wirkte müde, mit leicht hängenden Schultern und ausdruckslosem Blick. »Darf ich?«, sagte er und nahm, ohne ihre Antwort abzuwarten, auf dem freien Stuhl ihnen gegenüber Platz. Dann legte er die Zeitung auf den Tisch und steckte sich eine Zigarette an. Er ließ sich einen Espresso kommen und überflog die Schlagzeilen. Schließlich sagte er zu Rachael: »Du bist also seine Freundin?« Dabei wippte seine in den Mundwinkel geklemmte Zigarette.
    Rachael schob den Strohhalm ganz langsam in ihr halbvolles Glas zurück, nahm einen kräftigen Zug und erwiderte schnippisch: »Ja, was dagegen?«
    »Ganz im Gegenteil. Du gefällst mir«, erwiderte Wandrey.
    »So, tue ich das?«, sagte Rachael und wirbelte dabei ihren Strohhalm so ungeschickt herum, dass ein feiner Milchregenüber dem Tisch niederging und Wandreys Zeitung mit dunklen Pünktchen sprenkelte.
    »Die hat

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