Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
Vom Netzwerk:
die ausladenden Hüften.
    »Ja«, erwiderte Chris und nahm die ersten Treppenstufen. Als sie keuchend im dritten Stockwerk ankam, schloss Ulrike, deren Silhouette scherenschnittartig im hellen Türrahmen stand, sie mit den Worten: »Ich hab’s im Radio gehört«, in die Arme und drückte sie an sich. Sekundenlang verharrten beide in stummer Umarmung, dann machte Chris sich los und sagte: »Ich muss telefonieren!«
    »Jetzt komm doch erst mal rein«, sagte Ulrike, zog Chris in den Flur und schob die Tür mit dem Bein hinter sich zu. »Hast du Hunger, willst du was trinken?«, sagte sie und ging in die kleine, aus einer Zeile mit Spüle, Kühl- und Hängeschrank, Herd und Waschmaschine sowie einem an der Wand gegenüber angebrachten Klapptisch für zwei Personen bestehenden, sonnengelb angestrichenen Küche. Sie zog die Kühlschranktür auf und nahm eine Wasserflasche heraus. Draußen, das sah sie durch das kleine Fenster, vor dem ein bunter Glasschmetterling von der Decke
    hing, brach der Morgen an.
    »Ich muss in Oldenburg anrufen, um zu hören, wie es meinem Vater geht. Er ist gestürzt«, sagte Chris und folgte der sich vom Flur in engen Schleifen hinüber in Ulrikes Schlafzimmer windenden Telefonschnur. Neben dem zerwühlten, nach Schlaf und Kölnisch Wasser riechenden Bett brannte eine Nachttischlampe, in deren fahlgelbem Lichtkreis ein rosarot funkelnder Vibrator und ein auberginefarbener Seidenslip lagen.
    Chris setzte sich aufs Bett und zog das Telefon unter einem dicken Plumeau hervor. Sie tippte die Nummer ihres Vaters ein und presste den Hörer ans Ohr. Dabei ließ sie ihren Blick auf dem an der Wand hängenden Druck von Dalí ruhen, auf dem zwei bunte Falter vor einer im nachmittäglichen Sonnenlicht feuerrot leuchtenden Felskante im Flug verharrten.
    Nach langem Läuten unterbrach sie unwillig die Verbindung. Dass nicht abgenommen wurde, konnte zweierlei bedeuten: Entweder hatte Wanda, wie von ihr verlangt, ärztliche Hilfe geholt, so dass man ihren Vater ins Krankenhaus gebracht hatte. Oder aber ihr Vater lag inzwischen mutterseelenallein im Keller in seinem Sessel, unfähig, das oben in der Diele klingelnde Telefon zu erreichen. Was konnte sie tun? Sie musste versuchen, Wandas Nummer ausfindig zu machen. Nur wie? Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie diese karibische Pute mit Nachnamen hieß.
    »Willst du duschen? Soll ich dir ein Bad einlassen? Ich hab zwei Piccolos im Eisschrank, die könnte ich aufmachen. Na, wie wärs«, bot Ulrike an und trat ans Bett. »Na, komm, ich lass dir ’ne Wanne ein«, sagte sie, drehte sich um und ging entschlossen aus dem Zimmer.
    Chris ließ sich nach hinten kippen und hörte mit geschlossenen Augen, wie im Bad das Wasser in die Wanne prasselte. Zehn Minuten später lag sie ausgestreckt in der lauwarmen, nach Rosen duftenden Lauge, umgeben von knisternden Schaumbergen.Ulrike saß auf dem Wannenrand und hielt ein langstieliges Sektglas in der Hand. Das andere Glas stand auf einem gelben Klappstuhl.
    »Ich muss versuchen, die Putze meines Vaters zu erreichen, damit ich weiß, was los ist«, sagte Chris, wechselte die Stellung ihrer Beine und angelte mit ihrem mit schneeweißen Schaumfetzen verzierten Arm nach ihrem Glas.
    »Ich höre von dir immer nur: ich muss, ich muss«, sagte Ulrike streng. »Dich ausruhen musst du, und sonst gar nichts, hörst du! Morgen ist nämlich auch noch ein Tag. Du schläfst jetzt erst mal, und dann sehen wir weiter, okay?«
    »Aber ich …«
    »Nix aber!« Ulrike leerte ihr Glas und erhob sich schwungvoll vom Wannenrand. Wenig später lagen sie nebeneinander in Ulrikes Bett, aneinandergeschmiegt wie zwei ungleiche Schwestern fern der Heimat, welche die Sehnsucht nach ihrem Zuhause einander in die Arme trieb.

16
    dpa – Basisdienst, Hamburg
    Lebenszeichen von den Geiseln – keine neue Geldforderung
    Gladbeck (dpa) – Die beiden Geiseln, die nach wie vor die beiden Gladbecker Bankräuber auf deren Flucht im Auto begleiten müssen, haben am Mittwochmittag ein Lebenszeichen gegeben. Nach Auskunft eines Polizeisprechers durften sie von einem unbekannten Ort aus ihre Angehörigen anrufen.
    Von den Geiselnehmern richteten sie nach Polizeiangaben aus, daß »kein zusätzliches Lösegeld gefordert wurde und wird«. Demnach dürfte es sich bei der bekanntgewordenen Forderung nach weiteren 200 000 Mark um die Aktion eines unbekannten »Trittbrettfahrers« gehandelt haben.

»Polizei, guten Morgen«, sagte draußen an der Tür eine

Weitere Kostenlose Bücher