Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
Vom Netzwerk:
mit seinen schwarzen Gedanken zu verdüstern. Außerdem durfte er nicht vergessen, wer er war: Rolf Kirchner, Gruppenleiter im SEK Dortmund, ein von allen geschätzter und geachteter Polizist, der auf eine glänzende Karriere zurückblicken konnte, ein Mann in den besten Jahren sozusagen, der einen wundervollen Sohn hatte und eine ebenso wundervolle Freundin, die zu ihm aufsah. Genug, um sich nicht von den Launen eines studierten Hanswursts in die Knie zwingen zu lassen.
    Kirchner riss eine Handvoll Papiertücher aus dem Behälter, trocknete sich ausgiebig die Hände damit ab, und nach einem letzten, flüchtigen Blick in den Spiegel verließ er diesen Ort, der ihm eine unerwartete Läuterung beschert hatte, und stieg, entschlossen, sich der Welt da oben wieder mutig zu stellen, die Treppe hinauf.
    Auf dem obersten Absatz angelangt, hörte er eine Frauenstimme: »Ich hab dir gesagt, dass es aus ist zwischen uns! Und dass du hier nicht mehr auftauchen sollst! Es ist aus, Schluss, Finito! Warum kapierst du das nicht endlich, verdammt noch mal?« Die Stimme der Frau hatte etwas Schneidendes.
    »Weil ich dich immer noch liebe«, antwortete eine Männerstimme ruhig und entschlossen. Dann sah Kirchner die beiden. Die Frau, offensichtlich eine Angestellte des kleinen Raststätten-Restaurants, denn sie trug eine Art Kostüm, beigefarben, dazu ein ebenfalls beiges Schiffchen im Haar, stand neben dem Zigarettenautomaten und ihr gegenüber ein vielleicht 45 Jahre alter Mann mit hoher Stirn, kurzgeschnittenen grauen Haaren, kleinen schlitzartigen Augen und einem mausgrauen Kinnbart, der seinen Mund wie ein auf dem Kopf stehendes Hufeisen umschloss.
    »Es ist vorbei, Hugo, versteh das doch. Und jetzt geh bitte! Ich muss nämlich weitermachen! Der Galinski guckt schon dauernd!« Die Frau sprach jetzt leise, aber nicht weniger eindringlich.
    Kirchner besah sich die Frau nun genauer. Sie war hübsch, doch nicht auf eine vordergründige Weise, sondern wie ein Bild, das erst beim zweiten Betrachten seinen Reiz und seine besonderen Feinheiten offenbart. Sie trug das brünette, halblange Haar links gescheitelt, so dass es auf der anderen Seite über ihre nicht sehr hohe Stirn floss und ihr entlang dem rechten Wangenknochen in einem dichten Schwall auf die Schulter fiel. Ihre ungewöhnlich dunklen Brauen bildeten einen reizvollen Kontrast zu den dunkelblauen Augen. Hätte man Kirchner gefragt, hätte er unumwunden zugegeben: Ja, die Kleine gefällt mir. Allem voran ihr blaubeerfarben geschminkter, herzförmig geschwungener Mund hatte es ihm angetan. Kein Wunder, dass der Typ nicht ablassen wollte von ihr.
    »Du kannst mich doch nicht einfach so abservieren, Claudia«,erwiderte der Mann und trat von einem Bein auf das andere. »Warum tust du mir das an?«
    »Ach, lass mich einfach in Ruhe!«, sagte sie, drückte flüchtig ihre Zigarette in einem an der Wand angebrachten Ascher aus und strebte weg. Da packte der Mann sie an der Schulter und riss sie zu sich herum: »Das hättest du wohl gerne, wie? Du Miststück!«
    »Ach, leck mich doch«, giftete sie zurück und machte sich los. Da holte der Mann aus und schlug ihr seitlich an den Kopf, so dass sie ins Taumeln geriet und zu fallen drohte, sich aber in letzter Sekunde schreiend mit der rechten Hand an der Wand abfing. Leute, die hereinkamen, blieben stehen und drehten sich nach ihr um.
    Kirchner, der noch immer auf dem Treppenabsatz stand und die Szene beobachtete, ging auf den Mann zu, erreichte ihn mit drei raumgreifenden Schritten und packte ihn am Arm. »Schluss jetzt«, rief er und wirbelte ihn zu sich herum.
    »Hey, was soll denn das?«, rief der Mann und taxierte Kirchner wie ein unerwartet in Bedrängnis geratener Boxer.
    »Sie lassen sofort die Frau in Ruhe und verschwinden, haben Sie mich verstanden? Anderenfalls sehe ich mich gezwungen, Sie wegen vorsätzlicher Körperverletzung vorläufig festzunehmen«, rief Kirchner und spürte, wie das Adrenalin seinen Körper in Aufruhr versetzte. Wie die Rädchen in seinem Innern eins ins andere griffen. Wie sie in Schwung kamen. Käpt’n Ahab war zurück an Deck und hielt die Harpune im Anschlag, um sie der sich zeigenden weißen Bestie ins Fleisch zu stoßen.
    »Halt dich da raus, du Angeber. Das ist ganz alleine eine Sache zwischen der Dame und mir, verstanden?«, entgegnete der Mann herablassend, stieß Kirchner von sich weg und wandte sich wieder der Frau zu, die sich die Wange hielt. Da packte Kirchner den Mann blitzartig mit der

Weitere Kostenlose Bücher