Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)
ich … ich dachte, ich …«
»Hat Maibach dir denn nicht gesagt, dass er umdisponiert hat, dass Söllner den Aufmacher …«
»Nein, hat er nicht …«
»Oh!«
Die Pause, die sie machte, war groß. Bildete er sich das nur ein, oder hielt sie wirklich die Hand über die Sprechmuschel?
»Das tut mir leid, Thomas. Ich dachte, Maibach hätte …«
»Mir auch«, sagte er und beobachtete einen Mann, der mit seinem Hund das Café betrat. Im nächsten Moment sprang der Hund auch schon an ihm hoch. Bertram versuchte, das Tier mit der freien Hand abzuwehren.
»AUS«, rief der Mann und zog den Hund an der Leine ruckartig zurück. »Tut mir leid!« Dabei hob er entschuldigend die Hand. »Er will nur spielen. Ist ’n verspielter Bursche.«
Bertram starrte in die pechschwarzen, kreisrunden Augen des dunkelbraunen, athletischen Vierbeiners.
»Alles in Ordnung? Er hat Sie doch wohl nicht gebissen, oder?«, sagte der Mann und verzog das faltige Gesicht.
»Nein, schon gut«, antwortete Bertram und strich sich die Hundehaare von der Hose.
»Miko ist ein aufgewecktes Kerlchen«, sagte der Mann und lächelte. »Aber er tut niemandem was.«
Bertram sah runter zu dem Hund, der mit heraushängender Zunge hechelte. »Ja, das sieht man«, sagte er und dachte: Verdammte Töle!
»Was ist? Thomas?«, tönte es fragend aus der Muschel. »Hallo? Bist du noch dran?«
»Ja, ja«, antwortete er. »Es ist nur wegen, ach egal …«
»Bleibt’s bei heute Abend?«
»Klar! Oder hast du inzwischen was Besseres vor?«, sagte er und blickte dem Mann und seinem Hund hinterher.
»Nein, hab ich nicht«, sagte sie. »Ich freu mich, Thomas.«
»Ich auch«, sagte er und legte auf. Er legte einen Zehnmarkschein neben seine leere Tasse. Dann hob er die auf dem Boden liegende Kamera auf und hängte sie sich um.
Söllner also! Na super! Maibach hatte nie ernsthaft daran gedacht, ihm den Aufmacher zu überlassen. Das Ganze war bloßeine Art Ablenkungsmanöver gewesen. Beschäftigungstherapie. Typisch Maibach! Der Mann war ein Schwein!
Die Leiter! Er ging zurück, und tatsächlich stand sie noch dort im Halbschatten, wo er sie stehengelassen hatte. »Scheiß auf Maibach«, murmelte er trotzig, klappte die Leiter zusammen, schulterte sie und ging.
Er konnte nun selbst bestimmen, in welche Richtung er gehen würde.
***
»Es hat nicht viel gefehlt, und Sie hätten den Mann krankenhausreif geschlagen«, sagte Oberkommissar Scholten in rheinischem Tonfall und legte seine weiße Schirmmütze neben das Walkie-Talkie und Kirchners Dienstausweis vor sich auf den Tresen. Sein helles Diensthemd mit dem Polizeiwappen des Landes NRW auf der Brust roch – offenbar war es erst kürzlich aus der Reinigung gekommen – leicht chemisch. Auf seiner hohen Stirn glänzten Schweißperlen, und die grauen, kurz getrimmten Haare oberhalb der Schläfen schimmerten ebenfalls feucht.
Jemand hatte die Autobahnpolizei angerufen, und Gardner, mit seinem Kollegen offenbar in der Nähe, war innerhalb weniger Minuten in der Raststätte eingetroffen.
Kirchner spähte unter der geschwollenen Augenbraue hervor. Seine Wange zierte ein Pflaster, und die Knöchel seiner Hände brannten. »Hätte ich zusehen sollen, wie der Kerl die Frau verprügelt?«
»Sie hätten sich als Polizist zu erkennen geben und die Angelegenheit anders lösen müssen«, sagte Scholten vorwurfsvoll und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Das wissen Sie doch, gerade jemand wie Sie, ein so erfahrener Polizist.«
»Das habe ich, aber der Typ hat überhaupt nicht darauf reagiert«, brachte Kirchner zu seiner Verteidigung vor.
»Was das zur Folge hat, wenn der Mann Strafanzeige gegenSie stellt, das brauche ich Ihnen ja wohl nicht zu erklären«, sagte Scholten. Seine ohnehin kleinen Augen verengten sich jetzt noch mehr, so dass die Pupillen auf die Größe von Stecknadelköpfen schrumpften.
Okay, er hatte es vielleicht etwas übertrieben. Doch seine Fäuste hatten wie eigenständige kleine, verbissene Krieger agiert. »Das soll er mal machen«, erwiderte Kirchner trotzig. »Die Frau wird bezeugen, dass er angefangen hat und ich zu ihrem Schutz eingeschritten bin.«
»Da würde ich mich nicht drauf verlassen«, sagte Scholten. »Und wenn schon. Das gibt Ihnen trotzdem nicht das Recht, sich wie ein wild gewordener Stier aufzuführen und den Mann derart zu verprügeln.«
Kirchner grinste schief. Er hatte schon ganz andere Schlachten geschlagen. Und sie überlebt. So, wie der Typ ihre kleine Reiberei
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