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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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durchzogen. Der Normalbürger erkennt einen Wirtschaftswald trotzdem meist gar nicht als solchen, vor allem, wenn es sich um Laubwald handelt. Bei Fichtenwäldern sieht man es schon eher, da Fichten schön deutsch in Reih und Glied gepflanzt werden, damit sie schnell hochschießen. Fichten machen, nebenbei bemerkt, fast 40 Prozent unserer Wälder aus.
    Der Waldreichtum ist aus ökonomischer Sicht ein wertvolles Gut: Holz ist Deutschlands größte Rohstoffquelle, bedeutender als zum Beispiel die Steinkohle- oder Kalivorkommen, und zudem ein nachwachsender Rohstoff. Man muss sich nur einmal überlegen, was aus Holz alles hergestellt werden kann: Papier, Möbel, Parkett, Fenster, Türen, Zäune, Balkone, Dachstühle, Furniere, Dämmmaterial, Boote, Kleiderbügel, Schneidbretter und und und. Selbst Holzabfälle kann man verwenden, etwa aus den in einem Sägewerk anfallenden Holzspänen Pellets pressen, die immer öfter zur Befeuerung von Öko-Heizungsanlagen verwendet werden. Aus minderwertigem Holz und Holzabfällen lässt sich der Brenn- beziehungsweise Treibstoff Methangas erzeugen, ein hochwertiger Energieträger, der in Leistung und Qualität dem Erdgas gleichkommt. Weshalb mittlerweile ja auch die Anpflanzung schnell wachsender Weichhölzer wie Pappel, Espen oder Weiden subventioniert wird – in Fachkreisen nennt man das dann Energiewälder. Aus sieben Kilo Hartholz kann man ungefähr einen Liter Treibstoff herstellen. Apropos Treibstoff: Die Forst- und Waldwirtschaft in Deutschland beschäftigt zusammen mit den Folgewirtschaften wie beispielsweise der holzverarbeitenden Industrie mit 1,2 Millionen Arbeitsplätzen mehr Menschen als die Autoindustrie.
    Der Wald beziehungsweise sein Holz ist also ein wertvolles ökonomisches Gut. Nun haben wir Deutschen aber auch ein recht hohes Umweltbewusstsein; vielleicht nichtso hoch, wie es sein müsste, doch im Vergleich zum Rest der Welt recht beachtlich. Ökonomische und ökologische Interessen gehen nur leider selten Hand in Hand, und so scheiden sich am – oder sollte ich besser sagen: im – Wald die Geister, speziell an den Waldtieren.
    Vor allem Privatwaldbesitzer, die nur einen kleinen Wald haben und vielleicht sogar von dessen Ertrag leben müssen, sind auf viele Waldtiere nicht gut zu sprechen, allen voran Rot- und Rehwild. Rot- und Rehwild ist eigentlich nicht sonderlich am wertvollen Hartholz interessiert. Hirsche und Rehe bevorzugen Weichholz, werden immer erst an einer Weide, einer Erle oder einer Linde fressen, das heißt die jungen Triebe verbeißen. Bloß sind das nicht die Bäume, die man in einem Wirtschaftswald – außer in den bereits erwähnten Energiewäldern – will, weil man mit ihnen nicht das große Geld verdienen kann. Man will schlanke, gerade gewachsene Buchen, Eichen, Eschen, Ahorn, Kiefern und eben Fichten, obwohl die Fichte eigentlich zu den Weichhölzern zählt. Und da, wo es keine oder kaum Weichhölzer gibt, fressen Hirsche und Rehe natürlich Hartholz, weshalb mancherorts das Motto herrscht: Nur totes Schalenwild ist gutes Schalenwild (Schalenwild ist alles Wild mit Hufen). Und dann heißt es: Schieß ich lieber ein Stück Rotwild oder fünf Rehe? Anders ausgedrückt: Wenn man ein Stück Rotwild schießt, entspricht das in etwa der Fressgier von fünf Rehen. Nachsicht wird allenfalls beim Schwarzwild geübt, da Wildschweine Forstschädlinge vertilgen und den Waldboden durchlüften, indem sie ihn auf der Suche nach Wurzeln oder Engerlingen aufwühlen. Dafür haben, nebenbei bemerkt, die Wildschweine unter den Bauern, deren Felder sie verwüsten, zahlreiche Feinde.
    Viele Privatwaldbesitzer und auch so manche Förster denken diesbezüglich ähnlich wie vor Jahrzehnten oderJahrhunderten, als die Menschen sagten: Alle Raubtiere, die dem Wald und unseren Nutztieren Schaden zufügen können, müssen eliminiert werden. Da wurden Bären geschossen, Wölfe, Füchse, Luchse, Marder, Dachse, ja sogar Greifvögel inklusive Eulen. Das war nach dem Jagdgesetz alles erlaubt. Fischotter wurden erlegt, weil sie die Bergbäche plünderten und sich aus den Teichen bedienten, in denen die Mönche Fische züchteten. Bald waren die verbliebenen Beutegreifer zu wenige, um den Bestand der Beutetiere, in erster Linie Pflanzenfresser, auf einem für die Natur verträglichen Niveau zu halten. Die Folge war, dass die Beutetiere zu einem echten Problem wurden. Kranke Wildtiere wurden nicht mehr gerissen, sodass sich Seuchen ausbreiten und auf das Nutzvieh

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