Ein deutscher Wandersommer
sprudelte nur so aus der schönen Försterin heraus: »Ich bin Grit und hier die Revierförsterin. Ich war erst Forstfacharbeiterin, habe dann studiert und mein Forstdiplom gemacht. Noch zu DDR -Zeiten studierte ich Fachingenieur für Wildbewirtschaftung, also Berufsjäger. Eine Zeit lang war ich danach auf der Kreisjagdstelle in Jena und habe längere Zeit in einem Forstamt Dienst getan, bevor ich schließlich mein Revier hier übernommen habe. 14 Quadratkilometer.«
»Privat- oder Staatsforst?«, fragte ich.
»Privat, und auch noch auf etwa dreißig Eigentümer verteilt!«
Das ist eine echte Aufgabe, weil jeder Eigentümer Sonderwünsche hat, jeder will irgendwelche Subventionen, und man muss ständig Anträge und Formulare ausfüllen. Ein Förster, der Staatsforst betreut, hat es da um einiges leichter.
Ich erzählte dann, dass ich schon lange nicht mehr im Dienst bin und was ich nun so mache. Zwar kennen viele Menschen nicht meinen richtigen Namen, aber meine Filme und meinen Spitznamen »Bärenmann«. Oft brauche ich nur zu sagen, dass ich meinen Sohn zu einem Dreh in Alaska dabeihatte, dann heißt es gleich: »Ah, Sie sind das! Sie sind der Bärenmann. Und da war doch ein Hund dabei …« So war es auch auf dieser Wanderung. Da gab es später einige witzige, zum Teil rührende Begegnungen. Aber Grit hatte noch nie von mir gehört, vom »Bärenmann« nicht, von Erik nicht, von Cita nicht. Ich hatte ein bisschen Eindruck schinden wollen, da Grit wirklich sehr attraktiv war, aber das war ja wohl voll danebengegangen.
Wie das so ist unter Jägern, unterhielten wir uns dann über Wild und Wald und kamen irgendwann auf Wildschweine zu sprechen.
»Wildschweine zählen in Deutschland zu meinen Lieblingstieren. Außerdem schmecken sie gut«, grinste ich. Ich erzählte Grit, dass wir in der Eifel viel zu hohe Schwarzwildbestände haben, die enorme Schäden auf landwirtschaftlich genutzten Flächen anrichten, und dass die Jäger sie kaum in den Griff bekommen.
»Wenn du« – uns zu siezen war uns schnell lästig geworden – »mal ein richtig großes Wildschwein sehen willst, dann komm mit. Ich lade dich zu einem Frühstück auf meinem Hof in Herrschdorf ein und stelle dir bei der Gelegenheit Einstein, mein zahmes Wildschwein, vor.«
Eigentlich wollten Cleo und ich ja weiter, und Herrschdorf lag, wie mir ein Blick auf meine Karte zeigte, so überhaupt nicht auf unserem Weg, aber wir waren neugierig auf Einstein.
Herrschdorf sah wie ein Museums- oder Filmdorf aus. So nett und adrett, wie für einen Heimatfilm aufpoliert. Auch in Hirschberg hatte ich mich ja in einer Filmkulisse gewähnt, und das sollte mir auf der weiteren Wanderschaft noch des Öfteren passieren. Grits Zuhause war ein alter landwirtschaftlicher Hof, der zur Revierförsterei umgebaut worden war, komplett verschiefert, unglaublich schön gemacht. Eine Wand zierte ein aus verschiedenfarbigen Schieferplatten gestalteter springender Hirsch. Grit hatte die Vorlage dazu selbst gezeichnet, und ein Schiefermeister hatte das Motiv anschließend aus einzelnen Teilen am Haus angebracht – »angenagelt« wäre zu leicht gesagt. Es war insgesamt ein sehr schöner Hof, in U -Form gebaut, mit eigenem Brunnen, einer gewaltigen Scheune mit Heuraufe, einem Gästehaus, einem Karnickel- und einem großen Hühnerstall. Außerdem gab es Schafe. Hinter dem Haus lag ein riesiger Gemüsegarten, und überall hingen Maiskolben zum Trocknen. Einen Großteil des Daches bedeckteeine Photovoltaikanlage, die das Bild aber seltsamerweise nicht störte.
Cleo und ich hatten uns schon auf das Frühstück mit der schönen Försterin gefreut, aber zu einer schönen Försterin gehört natürlich ein Förster, so ist das leider, und der kam, gerade als wir mit der Hofbesichtigung fertig waren, vom Joggen zurück. (Er trainierte, wie sich später herausstellte, für den Rennsteig-Marathon – 42 Kilometer bergauf und bergab.) Durchtrainiert, athletisch, gut aussehend.
»Ich bin der Hans«, begrüßte er mich freundlich und schien sich kein bisschen zu wundern, wen seine Frau da mitgebracht hatte. Zur Erinnerung: leicht heruntergekommener Kerl mit langen Haaren, Rucksack und einem Rassehund.
»Bevor ich Einstein rauslasse, bindest du Cleo besser irgendwo draußen an«, meinte Grit.
Gesagt, getan, dann öffnete sie eine Stalltür, und heraus kam ein Monster von Keiler. Mir gingen fast die Augen über. Ich habe ja schon wirklich viele Wildschweine gesehen, aber noch nie ein so
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