Ein deutscher Wandersommer
überspringen konnten. Und die Pflanzenfresser vermehrten sich derart, dass sie dem Wald schadeten und sogar zu Nahrungskonkurrenten für den Menschen wurden. Kurz und knapp: Das ökologische Gleichgewicht war empfindsam gestört.
Würde man sämtliches Schalenwild – oder zumindest das Rot- und das Rehwild – aus den Wäldern verbannen, würde dies das Ökosystem Wald ebenfalls erheblich aus der Balance bringen. Eine, nennen wir es einfach mal Biomasse wie Rotwild macht zum Beispiel die unterschiedlichsten Lebewesen satt. Viele Klein- und Kleinsttiere ernähren sich auch von Kadavern und Nachgeburten. Andere von den Exkrementen dieser Tiere.
Manch andere haben aus den Fehlern früherer Zeiten gelernt und versuchen das ökologische Gleichgewicht zu erhalten beziehungsweise es wiederherzustellen. Dazu ist es gegebenenfalls nötig, Schalenwild zu schießen, um stark überhegte Wildbestände auf ein ökologisch sinnvolles Maß zu reduzieren. Förster und Jäger mit einem gesunden Naturbewusstsein gehen dabei mit Maß und Ziel vorund nach dem Motto »Leben und leben lassen«. Und sie heißen im Sinne eines ökologischen Gleichgewichts Vielfalt willkommen. Mittlerweile sind etliche Tiere, die vor dreißig Jahren in Deutschland am Rand der Ausrottung beziehungsweise des Aussterbens standen, von allein zurückgekehrt oder haben sich dank Auswilderungsprojekten wieder hier etabliert. Meist sind das nicht große Beutegreifer wie Bären oder Wölfe – mit denen wir Deutschen ohnehin immer noch ein Problem haben; ich brauche hier nur an Bär Bruno zu erinnern –, sondern eher kleine Tiere.
Dieses Kleingetier ist oft wichtiger als ein großer Räuber. Für den Wald an sich ist am nützlichsten die Waldameise, speziell die Große Rote Waldameise. Waldameisen stehen übrigens, was so manchen verwundern wird, in der Roten Liste der gefährdeten Tiere der IUCN (Weltnaturschutzunion) und sind »besonders geschützt«. Die Waldameise belüftet den Boden, räumt ihn ab, sie vernichtet schädliche Bakterien und fördert nützliche … Sehr wichtig sind die Pilze, die totes organisches Material zersetzen oder die Entwicklung lebender Pflanzen unterstützen: Schätzungsweise 80 bis 90 Prozent aller Pflanzen werden in ihrem Wachstum von Pilzen gefördert! Dazu kommen die Würmer, die wie die Ameisen und die Wildschweine den Boden durchlüften, oder die Mistkäfer, die Kot und Aas vertilgen.
Die schöne Försterin und Einstein
Das Wetter blieb schlecht. Wenn es mal nicht regnete oder nieselte, war es zumindest wolkenverhangen. Es war sehr unangenehm, zumal Cleo und ich oft im Zelt übernachten mussten, weil es weit und breit keine Pension gab. Geradein den Morgen- und Abendstunden war alles klamm, und nach einiger Zeit sah ich direkt ein bisschen heruntergekommen aus: unrasiert, fettige Haare …
Eines Morgens, als Cleo und ich mal wieder sehr zeitig losmarschiert waren – dieses Mal auf einem der vielen schönen Wanderwege, die parallel zum Kolonnenweg verlaufen –, sah ich im Gemisch aus Frühnebel und Nieselregen eine Gestalt seitlich zwischen den dunklen Tannen hervorkommen. Da ist aber jemand auch ganz schön früh unterwegs, dachte ich. Dann konnte ich einen Hut und ein Gewehr ausmachen. Ah, ein Jäger. Kurz darauf sah ich lange blonde Haare unter dem Hut hervorschauen.
»Hm, eine Jäger in, nicht schlecht«, sagte ich zu Cleo und grüßte die Frau schon von Weitem mit einem recht freundlichen »Guten Morgen«, das auf Thüringisch erwidert wurde. »Und hübsch«, murmelte ich, als sie näher kam. Ich merkte, wie ich misstrauisch gemustert wurde – nicht von einer eifersüchtigen Cleo, sondern von der Fremden.
»Na, wo wollen Sie denn hin? Und wo kommen Sie so früh schon her?«, fragte sie schließlich, als ich auf ihrer Höhe war, und warf dabei immer wieder einen Blick zu Cleo.
»Ich weiß genau, was Sie jetzt denken«, entgegnete ich zunächst. »Sie fragen sich, wie dieser langhaarige Landstreicher zu einem Hannoverschen Schweißhund kommt. Den hat der bestimmt irgendwo geklaut.« (Die Filmkamera, die mir einen etwas seriöseren Anstrich verliehen hätte, steckte zu dem Zeitpunkt im Rucksack.) Darauf sagte sie nichts, denn ich hatte genau ins Schwarze getroffen. »Ich muss sie enttäuschen, ich bin kein Landstreicher. Das hier ist Cleo, ich bin Andreas, und wir sind auf der Wanderschaft; wir wollen zur Ostsee. Ich war früher übrigens selbst Förster und Berufsjäger.«
Damit war das Eis gebrochen, und es
Weitere Kostenlose Bücher