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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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Feldern und in den Büschen am Feldrand relativ gut verstecken. Die riesigen Nutzflächen von heute bieten dagegen kaum Deckung. Nach der Ernte bekommt der Hase gar einen regelrechten Ernteschock (man nennt das tatsächlich so), weil er plötzlich auf einem schier endlos scheinenden freien Feld sitzt und für seine Feinde – Greifvögel, Fuchs, Marder und andere – sehr gut zu sehen ist.
    Junghasen kommen im Unterschied zu Kaninchen, die nackt und blind in einer Höhle geboren werden, an einer geschützten Stelle unter einem Busch oder einer Hecke, der sogenannten Sasse, mit Fell und offenen Augen zur Welt – sozusagen als »fertige« kleine Hasen; winzige Fellknäuel, die mit ihren großen Augen einfach nur putzig aussehen. Die Hasenmutter hat übrigens mit die fettreichste Milch (über 23 Prozent Fettanteil!) von allen Säugetieren, weshalb die Jungen erstaunlich schnell wachsen, obwohl sie nur einmal pro Tag gesäugt werden. Junghasen geben am Anfang überhaupt keine Witterung ab, was wirklich erstaunlich ist, denn sie koten ja und sondern Harn ab, werden gesäugt; alles Dinge, die mit Gerüchen verbunden sind. Sie liegen völlig regungslos da, sodass selbst Cleo sie nur entdeckt, wenn sie praktisch drüber stolpert. Da ihr Instinkt den Junghasen sagt, dass sie sich bei Gefahr ganz ruhigverhalten müssen, werden im Frühjahr bei der Feldbearbeitung viele von den schnellen Monsterlandmaschinen einfach untergepflügt. Aus all diesen Gründen wird die Hälfte der Junghasen kein Jahr alt.
    Wegen seiner sehr hohen Vermehrungsrate – drei bis vier Würfe pro Jahr mit zwei bis fünf Jungen – war der Hase seit jeher Fruchtbarkeitssymbol. Und er gilt als wahrer Sex-Maniac. Wenn man mal die Chance hatte, die Sexspielchen, die die Hasen auf den Feldern vollführen, zu beobachten, weiß man, warum. Während der Paarungszeit wird eine Häsin auf ihrer sogenannten Lockflucht zum Teil von drei, vier liebestollen Rammlern verfolgt, die ihr derart heftig auf den Rücken trommeln, dass sie dort manchmal überhaupt kein Fell mehr hat. Manchmal dreht sich die Häsin auch blitzschnell um, richtet sich auf, und dann trommeln beide Hasen mit den Vorderpfoten gegeneinander, wie beim Boxen. Über eine Stunde können sich solche Verfolgungsjagden hinziehen und verlangen den Tieren viel Kondition ab. Irgendwann hält die Häsin dann in ihrer Lockflucht inne, und der Rammler mit den besten Lungen und dem stärksten Herz reitet auf. Er hat das Rennen gewonnen – und der Tanz ist beendet.
Unterwegs mit Torsten
    In den letzten Jahren findet man vermehrt Ansätze zu einer Landschaftspflege mithilfe von Rückzüchtungen domestizierter Tiere, zum Beispiel von Pferd, Ziege oder Schaf. Solche Versuchsprojekte verfehlen zwar manchmal ihre Wirkung, etwa wenn die Tiere zu viel abfressen, aber generell sind sie recht erfolgreich, beispielsweise mit Heckrindern (die dem Ur oder Auerochsen sehr nahe kommen)oder den recht ursprünglichen schottischen Hochlandrindern, die beide das ganze Jahr über draußen bleiben können. Ein weiteres Beispiel ist die Heidschnucke, ein höchst genügsames Schaf, das, wie der Name schon vermuten lässt, Heideflächen beweidet. Die Heide ist, was kaum jemand weiß oder auch nur vermutet, eine klassische Kulturlandschaft. Würde sie nicht von Heidschnucken beweidet, würde sie mit Birken und Erlen verbuschen und hätte man statt der geliebten Heide, auf die Hermann Löns so stolz war, einen ganz anderen Landschaftstyp.
    In der Rhön wird sehr häufig das wetterfeste und krankheitsresistente Rhönschaf, eine der ältesten Nutztierrassen Deutschlands, zur Landschaftspflege eingesetzt. »Wieder eingesetzt« muss man sagen, denn bis man in den 60erJahren des 20.Jahrhunderts endlich den Wert alter, bodenständiger Rassen erkannte, war der Bestand an Rhönschafen auf wenige Hundert Tiere geschrumpft. Mittlerweile werden sie nicht nur als Landschaftspfleger geschätzt, sondern aufgrund ihres sehr zarten und würzigen Fleisches auch von Feinschmeckern.
    Als ich eine große Herde dieser sehr scheuen Tiere entdeckte, ließ ich Cleo sich ablegen, damit sie die Tiere nicht verschreckte. Unter viel »Böö, Böö« meinerseits ging ich im Zickzack auf die Herde zu. Ein Altschaf guckte ganz neugierig, blieb aber entspannt. Und als ich in die Hocke ging, kamen einige Schafe sogar so nahe, dass ich dachte, jetzt rammen sie mich gleich über den Haufen. Doch nichts dergleichen.
    Schließlich ging ich zurück zu Cleo. Und guckte nicht

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