Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
Vom Netzwerk:
toter Fuchs oder ein totes Wildschein. Einmal entdeckte sie ein Rehkitz auf einer Wiese. Donnerwetter!, dachte ich, was für eine feine Nase sie hat, denn Rehkitze geben in den ersten Tagen nach der Geburt so gut wie keinen Geruch von sich. Selbst ein Fuchs läuft in kurzer Entfernung daran vorbei, ohne es wahrzunehmen. Ich nahm Cleo sofort hoch und trug sie weg, damit nicht noch mehr ihrer Witterung in der Nähe bleibt. Die alte Mär, dass eine Ricke ihr Kitz nicht mehrannimmt, wenn ein Beutejäger, in dem Fall Cleo, seine Witterung hinterlassen oder ein Mensch es angefasst hat, kann ich zwar nicht bestätigen, aber die Ricke wird ihr Junges zumindest wegführen wollen. Schon deshalb sollte man ein Kitz nicht anfassen oder streicheln. Ein anderes Mal entdeckte Cleo in einem Bach kleine Forellen und jagte ihnen im flachen Wasser nach, worauf sich die Fische unter Steinplatten versteckten und mein Hund und ich wie zwei kleine Kinder im Wasser herumtollten und sie zu fangen versuchten.
    Häufig kamen wir an für die Rhön so typischen klassischen Bergwiesen vorbei, die ihre Farbenpracht gerade erst zu entfalten begannen. Die weiße Ährige Teufelskralle und der violette Wiesen-Storchschnabel blühten bereits, bald würden dunkelvioletter Großer Wiesenknopf, gelbe Arnika, weiße Mädelsüß, violett-weiß gesprenkelte Türkenbund-Lilie, lila Pechnelke, blaue Kugelige Teufelskralle, gelbe Sonnenröschen, blaue Glockenblume und etliche mehr dazukommen und ein prächtiges Naturgemälde schaffen. Bei all der Vielfalt mochte man fast denken, da hätte jemand nachgeholfen und eifrig ausgesät, doch Gärtner war hier allein die Natur. Über allem hing der süße Duft der Blumen und der herbe Geruch von Wildkräutern und lockte unzählige Insekten und Vögel an. Solche Magerwiesen sind Lebensräume von vielen seltenen und bedrohten Arten und insofern von unschätzbarem Wert.
    Die starken Hanglagen hier sind nicht geeignet für große Mähmaschinen, weshalb die Wiesen von Vieh beweidet werden. Kein Vergleich zur heute meist üblichen Viehhaltung, bei der die Kühe viel zu eng in Laufställen (sie heißen tatsächlich so) mit Boxen und Spaltenböden gehalten werden und eine Wiese, wenn überhaupt, nur von Weitem sehen: Das Gras wird mit riesigen Maschinenabgemäht, in den Stall gefahren und dort verfüttert. Höchst effektiv, da die Kühe zum Melken nicht in den Stall getrieben werden müssen und die Wiese nicht verkoten und platt trampeln, wodurch mehr Futter zur Verfügung steht. Das nennt man dann »moderne« Landwirtschaft (die es natürlich auch am Grünen Band gibt). Kommerz schlägt Naturschutz, denn die Kreiselmäher töten viele Tiere: Bodenbrüter, Wild, das sich »drückt«, wie Rehkitze oder Junghasen. Die Intensivierung schadet zudem der Artenvielfalt auf den Wiesen: Futtermasse ist gefragt, da stören Wildkräuter nur. Auf einer Wirtschaftswiese blüht es denn auch nur gelb; alles ist voll mit Löwenzahn, besser bekannt als Pusteblume. Natürlich sieht das hübsch aus, aber viel Löwenzahn bedeutet nichts anderes, als dass der Boden mit Stickstoff überdüngt ist. Je mehr Stickstoff und Ammoniak, ob nun durch Gülle, Jauche oder Kunstdünger, desto mehr Löwenzahn. Ökologisch gesehen höchst bedenklich. Nichtsdestotrotz fand Cleo eines Tages am Rand einer solchen Wirtschaftswiese zwei junge Hasen, die sich dort drückten.
Sein Name ist Hase
    1994 wurde der Hase als »gefährdete« Art in die Rote Liste Deutschlands aufgenommen; in Brandenburg und Sachsen-Anhalt gilt er sogar als »stark gefährdet«. Entlang dem Grünen Band sahen Cleo und ich trotz alledem häufig Hasen – ein Indikator für die Artenvielfalt der Pflanzen. Der Hase kann nämlich nicht nur den ganzen Tag Löwenzahn fressen wie unsere Stallkaninchen. Er braucht, um gesund zu bleiben, eine abwechslungsreiche Ernährung aus Gräsern, Getreide, Feldfrüchten, Knospen, Trieben und Rinde.Vor allem aber braucht er Wildkräuter, also das, was der Bauer als »Unkräuter« bezeichnet und gern mit Herbiziden bekämpft. Weitere Ursachen für die Gefährdung des Hasen sind Faktoren wie die Wetterverschlechterung, zum Beispiel sehr feuchte Frühjahre, in denen viele Junghasen an Lungenentzündung eingehen; der Befall mit Parasiten, speziell mit Kokzidien, die den Darm angreifen; oder intensive und großflächige Landwirtschaft. Früher konnte sich der Hase, der sich bei Gefahr zunächst auf den Boden drückt und erst im allerletzten Moment flieht, auf kleinen

Weitere Kostenlose Bücher