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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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auf Bewegungsreize reagieren, finden sie kein Futter und sterben.
    Was mich am Birkwild so fasziniert, ist zum einen der unglaublich melodische Balzgesang, der für mich zu den schönsten Vogelgesängen zählt, und zum anderen ist es die Schönheit der Hähne. Die Weibchen sind wie bei den meisten Vögeln unscheinbar. Die Birkhenne trägt mit ihrem schwarz-braun gefleckten Gefieder regelrechte Tarnkleidung, die sie während der Brutzeit optisch mit dem Untergrund verschmelzen lässt. Der Birkhahn hingegen hat ein blauschwarz, metallisch schillerndes Gefieder mit auffallend weißem Unterstoß (das sind die Federn, die man sieht, wenn er sein Hinterteil in die Höhe reckt) und einzelnen weißen Federn an den Flügeln. Die eigentlichen Schwanzfedern sind sichelförmig und wurden früher von Jägern, aber auch Wildschützen als Trophäe am Hut getragen. Ein richtiger »Schwarzgeher« (Wilderer) musste mindestens einen Balzhahn im Leben erlegt haben. Zur Balzzeit schwellen dem Hahn, auch Spielhahn genannt, die kleinen knallroten Hautwülste über den Augen zu sogenannten Balzrosen an.
    Am nächsten Morgen machten Torsten und ich uns noch vor Tagesanbruch auf den Weg. Wir mussten vor den Hähnen, die kurz vor der Morgendämmerung eintreffen würden, gut getarnt am Balzplatz sein. Zum einen haben die sehr scheuen Tiere eine ausgezeichnete Wahrnehmung, zum anderen wollten wir sie natürlich nicht stören. Ein Grund, warum die Balzplätze in Deutschland oft gesperrt beziehungsweise geheim gehalten werden. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass es seit einigen Tagen wieder regnete und für die Jahreszeit viel zu kalt war. Ganz offensichtlich hatten Cleo und ich uns nicht gerade das beste Jahr für diese Wanderung ausgesucht. Gerade jetzt aber war der Regen sehr unangenehm, da wir nicht mehr im Schutz des Waldes, sondern über offenes Gelände liefen.
    »Viel wird da nicht mehr los sein, die Balzzeit ist fast vorüber«, dämpfte Torsten meine Erwartungen.
    »Wie viele, glaubst du, werden kommen?«
    »Vier? Fünf?«, meinte er und zuckte die Schultern.
    »Nicht viel. In Skandinavien können auf einem Balzplatz zehn Hähne einfallen und zwanzig oder 25 Hennen.«
    »So viele haben wir in der ganzen Rhön nicht. Da sind es gerade mal fünfzehn bis zwanzig«, warf Torsten ein.
    »Ich bin einmal sogar bis nach Schweden gefahren, um Birkwild zu drehen«, erzählte ich. »Die Schweden haben nur den Kopf geschüttelt, dass man dafür so weit fahren und einen solchen Aufwand betreiben kann. Für die ist Birkwild nichts Besonderes. ›Die kann man ja nicht mal essen‹, sagten sie, ›die schmecken nicht.‹«
    »Ich habe noch nie Birkhuhnfleisch gegessen. Warum schmeckt das nicht?«, wollte Torsten wissen.
    »Die Schweden sagen, dass das Fleisch wegen der Knospen, die die Tiere so gern fressen, einen ganz eigenwilligen, irgendwie harzigen Geschmack hat. Jungtiere, die ja nochInsekten fressen, könne man essen, aber ältere Tiere müssen furchtbar schmecken.«
    »Klingt logisch«, meinte Torsten und legte dann zum Zeichen, dass wir nun besser unseren Mund halten sollten, einen Finger an seine Lippen.
    So leise wie möglich schlichen wir zu seinem kleinen Versteck, aus dem heraus er die Tiere immer beobachtete. Ich war sehr gespannt, denn auf einem Balzplatz geht es richtig zur Sache. Die Birkhähne vollführen die verschiedensten Sprünge und Posen, stolzieren im wahrsten Sinn des Wortes wie die Gockel in der Balzarena umher, stimmen ihren Balzgesang aus Fauchen und Kullern an, vor allem aber kämpfen sie wie die Berserker gegeneinander, hacken aufeinander ein, dass die Federn fliegen, reißen sich gegenseitig an den Balzrosen.
    Wir saßen seit etwa einer halben Stunde stumm in der Finsternis, als wir durch den Regen hindurch ein Zischen hörten. Der erste Birkhahn war eingetroffen. Wieder zischte es, und dann noch ein drittes und viertes Mal. Mit den Hähnen nahm der Regen zu. Sobald das erste Tageslicht zu erahnen war, begannen die vier Birkhähne mit der Balz und bekamen sich gleich in die Wolle. Nach ein paar Minuten flogen schließlich ein paar Hennen ein und ließen sich auf den vereinzelt die Balzarena umstehenden Birken nieder. Da saßen sie dann und schauten ziemlich desinteressiert dem Geschehen am Boden zu. Na ja, zum einen war die Hauptzeit der Balz vorüber, zum anderen war das Wetter wirklich nicht einladend. Dann kam eine weitere Henne, lief ein bisschen orientierungslos durch die Arena. Die Hähne jagten hinter ihr

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