Ein deutscher Wandersommer
sehen mit ihrem sehr dunklen Fell und den großen gelben Nagezähnen fast wie Maulwürfe aus und sind aufgrund ihrer Größe eine äußerst nahrhafte Beute für Katzen, Füchse oder Mäusebussarde. Und nun folgte, was viele Menschen so irritierend an Katzen finden: Nachdem die Kätzin die noch lebende Maus fallen gelassen hatte, schlugen die Kleinen mit ihren Tatzen nach der Beute, die ziemlich angeschlagen im Kreis herumlief, bissen auch ab und zu hinein, allerdings ohne sie gleich zu töten. Erst nach für die Maus quälend langen Minuten war das »Spiel« vorbei und machten sich die Kleinen ans Fressen.
Obwohl ich schon sehr viele unterschiedlichste Tierarten auf der ganzen Welt beobachtet habe, war dies für mich etwas Einzigartiges: eine Wildkatze, deren Anblick nur ganz wenigen Menschen vergönnt ist, samt ihrem Wurf vor einem romantischen Bau aus Fels und alten Wurzeln.
Dann kam unweigerlich der Moment, da uns die Katze wahrnahm, vielleicht durch ein Aufblitzen der Frontlinse vom Fernglas in der Sonne – und im nächsten Augenblick war die Bühne leer.
Das Grüne Band führte uns weiter über feuchte Magerwiesen, ein Eldorado für Naturfreunde. Sumpfvergissmeinnicht, Breitblättriges Knabenkraut, Schlangenknöterich und Lupinen blühten um die Wette und schufen ein farbenfrohes Gemälde. In den wenigen Sonnenstunden in der Luft das vielstimmige Summen und Zirpen von Insekten, die in den Wiesen einen reich gedeckten Tisch fanden und ihrerseits zahlreiche Vögel anlockten.
Cleo
Für Cleo war diese Wanderung ihre erste große Expedition, und wir, meine Familie und ich, hatten zu Anfang deswegen Bedenken gehabt. Natürlich ist Cleo gechipt, außerdem hatte man ihr in Frankreich eine große Nummer ins Ohr tätowiert. Trotzdem bekam sie extra für diese Wanderung zwei Halsbänder, in die unsere Telefonnummer eingraviert war. Meine größte Angst war nicht, sie auf einer Hatz oder Suche zu verlieren, denn Cleo hat ein unglaublich gutes Heimfindevermögen. Das heißt nicht, dass sie aus der Rhön bis nach Hause in die Eifel gelaufen wäre, aber wenn sie einen Fuchs oder ein Wildschwein jagt, findet sie immer zum Ausgangspunkt zurück. Meine größte Angst war, dass sie wie mein allererster Hund von einem Auto überfahren wird. Minka hetzte ein Wildschwein, und die beiden liefen genau in dem Moment über eine kleine Verbindungsstraße zwischen zwei Dörfern, als eines von insgesamt vielleicht zehn Autos pro Tag daherkam. Das Wildschwein schaffte es, aber Minka prallte gegen das Auto und war tot. Die zweitgrößte Angst war, dass Cleo einen Giftköder frisst. Gift erwischte sie zum Glück nicht, dafür so einiges andere, was sie eigentlich nicht fressen sollte.
In einer Pension gab es eine griechische Landschildkröte von der Größe eines kleinen Kuchentellers, die im Garten an einem Pflock angebunden war. Dazu hatte man ihr ein kleines Loch in die abstehende Platte ihres Panzers gebohrt und einen Schlüsselring mit Schnur durchgezogen. Hatte die Schildkröte im Umkreis des Pflocks das Gras abgefressen, wurde sie samt Pflock umgesetzt. Eine witzige und effektive Methode, sich das Mähen zu ersparen.
Cleo ist – wie soll man sagen – ein Freund der Tiere. Sie beobachtet zum Beispiel für ihr Leben gern Vögel. Eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen auf der Wanderung war, über eine Blumenwiese zu springen und Vögel aufzuscheuchen. Es gibt Vögel, die vor Hunden überhaupt keinen Respekt haben, wie Kiebitze oder Lerchen, also Bodenbrüter, die einen Hund attackieren, wenn er über eine Wiese läuft. Cleo wusste sehr wohl, dass sie keine Chance hatte, so einen Vogel zu erwischen, aber es war für sie einfach ein schönes Spiel, diese Vögel zu jagen und nach ihnen zu schnappen, wobei der Vogel drei, vier Meter über ihr flatterte und einen Teufel tat, sich fangen zu lassen.
An manchen Tieren hat Cleo hingegen überhaupt kein Interesse, und ich war mir ziemlich sicher, dass Reptilien dazu zählen. Jedenfalls saß ich da eines Morgens in dieser sehr kleinen Pension und unterhielt mich mit den Wirtsleuten über den Osten, den Westen, das Zusammenwachsen, über Filinchen, Spreewaldgurken, Club-Cola, Nordhäuser Doppelkorn, f6 und andere Sachen, die es in der DDR nur unter dem Ladentisch gegeben hatte. Für die westdeutschen Leser: Filinchen ist ein Waffelbrot, f6 eine Zigarettenmarke. Cleo trieb sich unterdessen im Garten herum.
»Berta ist weg – hast du Berta gesehen?«, hieß es auf einmal.
Pflock, Schnur
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