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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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es auch?
    Cita, mein vorheriger Hund, und ich hatten eine außerordentlich intensive Beziehung. Cita hat mich abgöttisch geliebt – die Familie spielte für sie nur eine Nebenrolle –, und ich habe sie geliebt. Doch obwohl sie völlig auf mich bezogen war, hatte Cita ein enormes Selbstbewusstsein und Stärke; jeder Hund hat ja, wie wir Menschen auch, einen Charakter und seine ganz eigene individuelle Art. Manchmal hat sie sogar wie ein Rüde im Stehen gepinkelt, also nur ein Bein gehoben, statt sich hinzuhocken, wie es sich für eine Hundedame gehört. Cita hat mich auf vielen Drehs begleitet und war über Monate in Alaska oft meine einzige Ansprechpartnerin. Wir konnten uns blind aufeinander verlassen, und wir vertrauten einander bedingungslos. Ich habe immer gesagt, dass Cita der Hund meines Lebens ist. Als sie dann starb, habe ich mehr geheult als beim Tod meiner Mutter. Noch Monate später habe ich so gelitten, dass ich nicht in der Lage war, mir einen neuen Hund anzuschaffen.
    Cleo und ich hatten aufgrund dieser Vorgeschichte nicht gerade einen Start, den man als unbelastet bezeichnen könnte. Ob man will oder nicht, man legt Maßstäbe an.
    Als ich schließlich bereit für einen neuen Hund war, war klar, dass es wie Cita wieder ein Hannoverscher Schweißhund sein sollte. Der Hannoversche Schweißhund, wie der Name schon sagt eine urdeutsche und außerdem eine der seltensten Hunderassen der Welt, wird eigentlich nur an Berufsjäger und Forstbeamte abgegeben, da er eine Leistungszucht ist und entsprechend gefordert werden muss. Die Rasse wird seit über 2000 (!) Jahren dazu gezüchtet, Fährten zu verfolgen und Tiere aufzuspüren. Früher wurde er auch bei der herrschaftlichen Jagd eingesetzt, heute ist seine Aufgabe in erster Linie, kranke, geschossene oder, was immer häufiger vorkommt, von Autos angefahrene Tiere zu finden oder zu stellen, damit der Berufsjäger sie von ihrem Leiden erlösen kann. Der Hannoversche Schweißhund hat keine bessere Nase als beispielsweise der Schäferhund, aber von allen Hunderassen die größte Konzentrationsfähigkeit. Er kann eine Fährte sogar über mehrere Tage hinweg verfolgen. Ich bin manchmal erstaunt, was Cleo so alles an Gerüchen aus der Luft filtert. Später, im Niedersächsischen Drömling, gab es ein ganz schräges Erlebnis. Doch dazu später.
    Man züchtet in Deutschland mit etwa knapp sechzig Hannoverschen Schweißhunden, das heißt, genetische Defekte sind bei so wenig Zuchtmaterial, so nenne ich es jetzt mal, sehr wahrscheinlich. Bei uns Menschen gibt es das ja auch. Warum sehen sich viele Adlige so ähnlich? Warum haben viele Adlige aus denselben Häusern dieselben Erbkrankheiten, können nicht richtig sprechen oder lesen, sind manchmal nicht sehr helle. Aber um auf Hunde zurückzukommen: Je kleiner der Genpool, desto mehr Probleme. Man hat daher beim Verein Hirschmann, dem betreuenden Verein Deutschlands, versucht, ganz offiziell Fremdblut aus Tschechien einzukreuzen, als man nachÖffnung der Grenzen dort Hannoversche Schweißhunde fand. Doch die hatten einen noch kleineren Genpool und waren nicht sehr wesensfest. Die einen wichen aus, klemmten die Rute ein, wenn man sie etwas harscher anging, die anderen hatten eine sehr niedrige Reizschwelle. Wieder andere interessierten sich nicht sonderlich für den Geruch eines Wildschweins – als Schweißhund! Als dann die ersten Welpen geboren wurden, deren einer Elternteil aus Tschechien kam, stellte man fest, dass sie sehr stark zu Epilepsie neigten.
    »Es gäbe noch eine andere Möglichkeit«, hieß es dann auf einmal. »In den Pyrenäen gibt es einen Förster, der Hannoversche Schweißhunde züchtet. Die Großmutter kommt aus Deutschland, ist jetzt in der zweiten Generation Blutlinie Frankreich, der Vater des nächsten Wurfs ist Franzose, einer der ganz wenigen französischen Hannoverschen Schweißhunde. Wir wären sehr daran interessiert, dass Sie einen der Welpen bekämen, denn wenn er sich gut macht, könnten wir mit ihm unseren kleinen Genpool auffrischen. Setzen Sie sich mal mit dem französischen Verein für Schweißhunde in Verbindung.«
    Gesagt, getan. Sechs Welpen waren bereits vorab vergeben, und als der Wurf dann kam, drei Hündinnen und vier Rüden, war also nur ein Welpe frei. Da diese Hunderasse so selten ist, hätte ich mir auch in Deutschland nicht einen Welpen aussuchen dürfen, etwa: »Ich hätte gern den Dicken da hinten.« Man muss froh sein, wenn man überhaupt einen bekommt.
    Als die Welpen

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