Ein Dicker Hund.
älteres Schaf, das auf der warmen Straße geschlafen hatte, verschwommen irgendeine Gefahr und rappelte sich auf. Für Timothy Bright war es lediglich ein Wölkchen. Gleich darauf stieg das Schaf in die Luft und wurde mitsamt dem Motorrad über die tiefste Stelle des Stausees geschleudert. In eine andere Richtung flog Timothy Bright, der seine Umgebung immer noch nicht wahrnahm, durch die Luft und landete auf dem gegenüberliegenden Ufer in einem Wäldchen aus jungen Fichten. Während er schlaff tiefer sackte und auf einem Polster aus Fichtennadeln landete, kannte, er keine Furcht. Eine Zeitlang blieb er in der Dunkelheit liegen, bis die Überzeugung, Schweinehack habe angefangen, ihn auf die Füße und aus dem Wäldchen trieb. Jetzt war er ein Vogel oder wäre einer gewesen, wenn ihm nicht ständig der Erdboden in die Quere gekommen wäre. Dreimal fiel er auf den Asphalt und trug zusätzliche Blessuren davon. Und einmal blieb er mit dem Fuß in den Eisenstäben eines Gitters stecken, das er für eine riesige Venusmuschel hielt. Doch mittlerweile ließ die von dem »Krötenstoff« hervorgerufene völlige Bewußtseinsspaltung nach. Nachdem er sich der gräßlichen Umklammerung der Muschel entzogen hatte, wurde ihm merkwürdig kalt. Er mußte nach Hause, allerdings fehlte dem Zuhause, wohin er mußte, eine klar umrissene Identität. Zuhause war einfach, wo ein Haus war, und vor ihm zeichnete sich die Silhouette eines Gebäudes ab. In der Halbwelt zwischen mentaler Erregung und eingeschränkter Wahrnehmung arbeitete er sich in diese Richtung vor und sah sich plötzlich mit einer massiven Steinmauer und einem eisernen Tor konfrontiert. Genau das hatte er gewollt. Er rüttelte an den Torflügeln; sie waren verschlossen. Auf der anderen Seite sah ihn möglicherweise etwas Dunkles an. Das war unwichtig. Nichts war wichtig, außer in ein warmes Bett zu kommen. Timothy Bright griff in die schmiedeeisernen Torflügel und begann zu klettern. Von oben wollte er fliegen.
Auf der anderen Seite wartete begierig ein großer Rottweiler.
Von Welpenbeinen an war er aufs Töten abgerichtet und konnte es kaum mehr abwarten.
Oben angekommen, zögerte Timothy Bright einen Moment lang. Er war wieder ein Vogel, und diesmal wollte er unbedingt fliegen. Er ließ die Spitzen um ihn herum los und stand kurz da, die Arme weit ausgebreitet. Einen ganz kurzen Augenblick lang schwebte er durch die Luft. Als er nach unten stürzte, hatte der Rottweiler wie das Schaf auf dem Damm eine dumpfe Ahnung von Gefahr. Dann fielen aus gut drei Metern Höhe sechsundachtzig Kilo Yuppie auf ihn.
Als die Beine unter dem großen Hund einknickten und seine gesamte Atemluft sowie Teile des Abendessens aus seinen diversen Körperöffnungen entwichen, wußte er, daß er einen Fehler begangen hatte. Seine Kiefer schlugen aufeinander, die Zähne bohrten sich ineinander, und er rang verzweifelt nach Luft. In einem letzten Versuch, dem Erstickungstod zu entgehen, wollte er auf die Beine kommen. Doch die lagen ausgestreckt zu beiden Seiten des Körpers und rührten sich nicht. Erst als Timothy Bright seitlich wegrollte, konnte sich das Tier aufrappeln. Aber der Rottweiler war eine kaputte Kreatur. Er stieß einen jämmerlichen Pfeifton aus und schleppte sich um die Ecke des Hauses zu seinem Zwinger. Timothy blieb ein wenig länger auf dem kiesbedeckten Vorhof des Hauses liegen. Auch ihm hatte es die Luft aus der Lunge getrieben, wenn auch nicht so schlimm wie dem Rottweiler, doch der Drang, schlafen zu gehen, hatte sich noch verstärkt. Er rappelte sich schwankend auf und fand die Haustür, die unter einer Lampe vor ihm auftauchte. Sie öffnete sich, als er an dem Knauf drehte. Die Flurbeleuchtung brannte. Timothy näherte sich der dunklen Treppe und ging nach oben, unendlich müde. Vor ihm befand sich eine Tür. Er öffnete sie, trat ein und fand das Bett. Als er hineinkletterte, rührte sich jemand auf der anderen Seite, sagte: »Gott, stinkst du nach Hund«, und schlief weiter. Timothy Bright machte es genauso.
5
Im Konferenzspeiseraum des Underview Hotels in Tween saß der Polizeipräsident, Chief Constable Sir Arnold Gonders, einem festlichen Dinner zugunsten des Dezernats für Schwerverbrechen der Grafschaft Twixt und Tween vor. Nominell wurde das Dinner anläßlich der Pensionierung von Detective Inspector Holdell gegeben, der seit Einrichtung dieses Dezernats dabeigewesen war. Eigentlicher Anlaß dieser Feier jedoch war die Entscheidung des
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