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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Pavor, ein Mann um die Dreißig mit Krawatte und Wolljacke, ein wenig dicklich, aber nicht fett, ein gepflegter, in seiner Gepflegtheit unauffälliger Mensch. Ein Mensch mit Note Zwei.
    Dieser Note-Zwei-Mensch erklärte Cheng nun, ein Faible für nicht bloß ältere, sondern alte Damen zu haben. Damen mit schweren Brüsten und einer gewissen ordinären Ausstrahlung. Keine ehemaligen Prostituierten. Das nicht. Er möge es nicht, wenn das Ordinäre aus der Profession entstehe oder zur Profession verkomme. Das Ordinäre, wie er es schätze, müsse tief im Wesen der Person verankert sein. Und selbst noch im Moment der Zurschaustellung einen ungekünstelten Kern besitzen. Aber das brauche Cheng nicht wirklich kapieren. Wenn Frau Dussek zuvor mit nackter Brust im Fauteuil gesessen habe, dann bloß, um ihn, Cheng, für einen Moment abzulenken. Lange genug, um einen gezielten Schlag anzubringen.
    »Ich wußte ja nicht«, sagte Pavor, »wie leicht man Sie umwerfen kann. Ich dachte, Sie seien Detektiv.«
    »Detektiv, nicht Judoka«, erklärte Cheng.
    »Als die Dussek mir gesagt hat, es gehe um ein Testament, da habe ich mir denken können, daß Sie noch im Haus sind. Daß Sie versuchen werden, in die Wohnung zu kommen.«
    »Das mit dem Testament stimmt doch gar nicht.«
    »Hören Sie auf, dumm zu reden. Sonst mach ich gleich Schluß mit Ihnen. So ein Tisch ist schnell weggezogen. Und dann …«
    »Also gut. Es gibt ein Testament. Darin steht, daß ich die Katzen …«
    »Verschonen Sie mich mit den Katzen. Was wissen Sie über das Versteck?«
    »Welches Versteck?«
    »Ich an Ihrer Stelle«, sagte Gregor Pavor, auf einem Hocker sitzend, aber nun mal nicht auf einem Tisch, darum zu Cheng aufblickend, die Hände auf seine breiten Schenkel gestützt, »würde endlich aufhören, mich deppert zu stellen. Ich habe nicht sehr viel zu verlieren, wie Sie sich vielleicht denken können.«
    Cheng überlegte, daß er, wenn er sich retten wollte, erst herausfinden mußte, was dieser Kerl überhaupt hören wollte. Das alte Folterproblem. Die Ansprüche des Folterers zu durchschauen. Nicht die Wahrheit, sondern das Erwünschte kundzutun. Cheng sagte: »Frau Kremser hat wohl geahnt, daß ihr was in dieser Art zustoßen könnte.«
    »Hören Sie, Detektiv, das war ein Job damals. Ein Job! Wie solche Jobs halt sind. Man käme einfach nicht weiter, würde man die Leute freundlich bitten. Allerdings dachte ich mir das alles weniger folgenreich. Ich wollte der alten Kremser ja bloß angst machen.«
    »Wie? Indem Sie ihr einen Strick um den Hals legten? Wie jetzt auch bei mir.«
    »Ach, das war damals bloß zur Verschärfung gedacht. Eine saublöde Idee. Wo ich doch die Katzen hatte. Ich habe eines von den Viechern in die Höhe gehalten und der Kremser gedroht, ihre Kätzchen aufzuschlitzen. Eins nach dem anderen, wenn sie nicht redet. Wenn sie nicht sagt, wo der verdammte Zettel ist. Mein Gott, als könnte ich so was. Mir ekelt schon, Eier in die Pfanne zu schlagen. Mir wird übel, wenn ich mir vorstelle, ein paar angehende Küken zum Omelett zu verrühren. Aber ich habe natürlich den bösen Mann gespielt. Die ganze Litanei. Und was macht die Wahnsinnige? Stößt sich einfach ab. So schnell habe ich nicht schauen können, da ist sie schon heruntergebaumelt von dem Seil.«
    »Sie hatten das Seil fixiert.«
    »Ja, ein Fehler«, sagte Pavor und blickte auf den Strick, an dem Cheng hing und welcher zwar gespannt war, aber allein dadurch, daß Pavor mit einem seiner Füße auf dem Ende stand. Er hätte jederzeit zupacken, aber auch jederzeit den Zug lösen können. Soweit hatte er dazu gelernt.
    »Ich habe die Frau gehalten«, erzählte Pavor, »Gott, ich habe gefleht, daß sie mir nicht stirbt. Aber die war gleich tot gewesen, bevor ich noch was habe tun können. Man kann nicht gleichzeitig jemand halten und vom Seil schneiden. Und ich konnte ja schwerlich um Hilfe rufen.«
    »Nicht unklug von Frau Kremser«, stellte Cheng fest.
    »Ja«, sagte Pavor, »sie hat sich gedacht, daß wenn sie tot ist und nicht mehr reden kann, es sich auch erübrigt, ihre Kätzchen zu massakrieren. Im Grunde ein vernünftiger Entschluß.«
    »Sie sprachen von einem … Zettel. Darum geht es ja wohl.«
    »Darum geht es. Das ist mein Job, an dem ich seit einem halben Jahr herumwerke. Dieses dumme Stück Papier zu finden, das da irgendwo in der Wohnung sein muß. Im Haus oder in der Wohnung. Und jetzt kommen Sie, Detektivchen, reden was von einem Testament, geben vor, sich um

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