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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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großartig zu finden und sich dennoch Lena gegenüber als ein guter Vater herausstellen sollte. Erstaunlicherweise. Aber so sah die Zukunft aus, obgleich Cheng sich bis an sein Lebensende weigern würde, mit dem Reiten anzufangen.
    Daß er kein Jude war … Nun, es sollte sich zeigen, daß Ginettes Eltern dies sogar lieber war. Einfach weil sie wußten, daß ihrer Tochter alles Jüdische auf die Nerven fiel und sie in der Nähe von etwas dezidiert Jüdischem unausstehlich wurde. Und damit hatten die Eltern ja auch ziemlich recht. Daß sie dies aber erkannten und die richtige Lehre zogen, also einen ausgesprochen nichtjüdischen und an konfessionellen Überlegungen vollkommen desinteressierten Mann wie Cheng akzeptierten, war eine ziemliche Leistung.
     
    Nachdem Ginette Rubinstein ihre Tochter aus der Wohnung entlassen und zur Schule geschickt hatte so als wäre am Vorabend absolut nichts geschehen, kam sie zurück ins Schlafzimmer, schob sich aus ihrem Bademantel wie aus einer Garage heraus und kroch zu Cheng unter die Decke. Cheng war wieder eingeschlafen. Er träumte übrigens von Lauscher, was durchaus passend war, wenn man bedachte, daß Cheng ja nicht wieder in den Adlerhof zurückgekehrt war, um wie versprochen seinen Hund abzuholen. Dieser Umstand war im Traum dadurch dokumentiert, daß die Züge Lauschers einen ungarischen Einschlag besaßen. Nicht, daß Cheng diese »madjarische Mimik« noch dazu im Gesicht eines Mischlingsrüden hätte definieren können, weder im Traum noch danach, aber er bemerkte es eben, so wie man ein Gewürz im Essen bemerkt, ohne es benennen oder beschreiben zu können. Man registriert die Schärfe und das genügt.
    Als nun Cheng unter den Liebkosungen Ginettes erwachte, da dachte er natürlich sofort an seinen im Traum gesehenen Hund. Doch der Gedanke verursachte ihm keinerlei Panik. Es war schon öfters vorgekommen, daß er Lauscher irgendwo zurückgelassen und erst sehr viel später als angekündigt abgeholt hatte. Niemand, und zwar zu keiner Zeit, wäre auf die Idee gekommen, einen solchen Hund auf die Straße zu werfen. Während umgekehrt Lauscher konsequent vermied, ein Theater darum aufzuführen, an einem fremden Platz abgelegt worden zu sein. Und wenn irgend etwas die verborgene Intelligenz dieses Hundes bewies, eine Intelligenz, die sich dem Nachjagen geworfener Objekte minderer Qualität versagte, dann war es Lauschers Wissen darum, daß sein Herrchen Cheng schlußendlich immer auftauchen würde.
    Kein Wunder also, daß Cheng darauf verzichtete, augenblicklich aus dem Bett zu springen, sondern sich vielmehr den Küssen und Handgreiflichkeiten Ginettes hingab beziehungsweise seinerseits zärtlich und auf eine zärtliche Weise heftig wurde und auf die Seite gebettet von hinten in seine Geliebte eindrang. Dies mit einer neugewonnenen Selbstsicherheit, gewissermaßen mit dem Gefühl, den eigenen Samen im Griff zu haben. Nicht bloß in bezug auf die Gefahr der Vorzeitigkeit, sondern auch im Hinblick darauf, ungeschützten Verkehr zu betreiben. Weshalb er im vorletzten Moment – ohne unerquickliche Hast – nach draußen kam, sich fest an den Rücken Ginettes preßte und sodann in einer Weise entlud, wie jemand, der Luft in einen übervollen Ballon bläst. Man ist scheinbar erst zufrieden, wenn der Ballon in Fetzen liegt.
     
    Erst beim Anblick der im Treppenhaus aufgestellten Näpfe fiel Cheng ein, daß er ja nicht nur in gewohnter Weise auf seinen Hund vergessen hatte, sondern auch auf jene drei Kartäuserkatzen, für deren Errettung er immerhin ein beträchtliches Risiko eingegangen war. Derentwegen man ihn beinahe erhängt hatte. Von den Katzen war nun allerdings nichts zu sehen. Der Umstand leergeleckter Futterschalen gab freilich dazu Anlaß, sich den Zustand der drei Tiere als einen erfreulichen zu denken. Und das tat Cheng nun auch, nicht weiter überlegend, wer denn die Näpfe aufgestellt und gefüllt hatte. Und wo genau die Katzen sich jetzt befanden. Danach wollte er später forschen.
    Außerdem, so sagte er sich, konnte er nicht alles selbst erledigen. Ein paar Dinge mußten schon von sich aus gedeihen.
    Offensichtlich hatte Cheng vergessen, was er gegenüber Pavor geäußert hatte, daß nämlich das Versteck jener 4711-Formel in irgendeiner Form mit den Kartäuserkatzen zusammenhänge.
    Hätte Cheng das ernst gemeint gehabt, hätte er sich augenblicklich um den Verbleib der Tiere kümmern müssen. Wie auch den Umstand eines anonymen Verteilers von Katzenfutter

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