Ein dickes Fell
habe. Seine Neigung für ältere, großbusige Frauen wäre bekannt gewesen und hätte dazu geführt, daß man ihm aus dem Weg gegangen sei. Pavor habe im Verdacht gestanden, ein Perverser zu sein, ohne daß jemand die Perversion hätte benennen können. Außer den Faktoren des hohen Alters und der Großbusigkeit.
»Er hatte keine Kumpels, nur seine Damen«, sagte Straka.
»Frau Dussek hat uns den Namen einer Freundin genannt, die ebenfalls mit Pavor Kontakt hatte. Beziehungsweise war man auch zu dritt aktiv. Aber davon abgesehen ergibt sich nichts Auffälliges. Nichts Bizarres. Keine Gewalt.«
»Rollenspiele?«
»Nicht mal das«, sagte Straka. »Es bringt wenig, sich auf Pavors sexuelle Vorlieben zu konzentrieren. Bleibt die Sache mit dem 4711. So vertrottelt es klingt, aber das scheint wirklich der Kern der Sache zu sein.«
Straka fragte Cheng, ob er eigentlich wisse, in welchem Beruf die verstorbene Frau Kremser tätig gewesen sei.
Cheng verneinte, er habe mit Frau Kremser einzig und allein über Katzen gesprochen und sich auch gar nicht vorstellen können, daß diese Person jemals etwas anderes unternommen habe, als sich um die Mästung ausgesuchter Pfotentiere zu kümmern.
»Nun, man kommt nicht als Katzenmutter auf die Welt«, sagte Straka. »Ihre Frau Kremser hat nach dem Krieg ein Labor gegründet, das der Entwicklung neuer Düfte diente. Wozu wohl auch gehörte, den alten Düften auf die Schliche zu kommen. Keine neue Chemie ohne alte Chemie. Keine neuen Mysterien, die nicht auf alten fußen würden, nicht wahr?«
Cheng war frappiert. Die Katzenmutter als Königin der Düfte. Als olfaktorische Detektivin. Nicht zuletzt als Geheimniskrämerin. Er sagte: »Und Sie denken also, Frau Kremser habe das innerste Wesen von 4711 durchschaut. Es sich wenigstens eingebildet.«
»Das würde einiges erklären«, meinte Straka.
»Man sollte vielleicht«, schlug Cheng vor, »mit den Leuten sprechen, die heute ihre Hand auf 4711 haben.«
Straka schüttelte den Kopf. Dafür gebe es nicht wirklich einen Anlaß. Die Sache beruhe auf der Verrücktheit der beteiligten Personen, nicht der beteiligten Essenzen.
»Kurt Smolek«, erinnerte Cheng, »starb an einer Überdosis 4711. Das ist nichts ?«
»Was wollen Sie denn?« fuhr Lukastik dazwischen. »Daß wir den Erzeuger dafür verantwortlich machen, daß man 4711 nicht literweise schlucken kann, ohne sich ein bißchen zu vergiften?«
Cheng war daran, etwas zu erwidern. Aber Straka meinte, der Kollege Lukastik habe vollkommen recht.
»Aber da ist noch etwas anderes«, setzte Straka fort, gewissermaßen einen frischen Köder auf den Haken steckend, »was Sie interessieren dürfte. Ich hatte da so eine Idee … Mich hat das nicht losgelassen, Ihr Hinweis auf diese Frau Mascha Reti, die da in Liesing im Pflegeheim sitzt und von nichts etwas wissen will. Ich dachte mir, da es sich bei Frau Reti ja um eine alte Dame handelt und wir um die Vorliebe Pavors wissen …«
»Die Frau sitzt im Rollstuhl, oder?«
»Na, es gibt da Typen … Aber Sie haben schon recht, Cheng. Mir ist schnell klargeworden, daß Frau Reti dafür nicht in Frage kommt. Trotzdem habe ich überprüfen lassen, ob eine Beziehung zwischen Pavor und ihr bestand. Und siehe da, die gab es. Keine erotische, wie es scheint, sondern eine geschäftliche. Pavor war mehrmals in Liesing, um Frau Reti zu beraten. Als die Bankkundin, die sie war und ist.«
»Ich dachte, die Frau sei so gut wie unansprechbar.«
»Das scheint mal so, mal so. Faktum ist, daß Pavor eine kleine Erbschaft für sie angelegt hat. Ein Fondgeschäft, nicht weiter auffällig. Jedenfalls haben sich die zwei auf diese Weise kennengelernt. Was freilich noch kein Verbrechen ist.«
Cheng verzog das Gesicht. Im Grunde störte ihn, daß die Fäden anfingen, zueinanderzuführen. Ihm wäre lieber gewesen, selbige Fäden hätten sich verloren und es wäre irgendeine kleine Wahrheit übriggeblieben: eine Spinne ohne Netz.
»Schon gesprochen mit Frau Reti?« fragte Cheng.
»Nein, aber ich schicke Bischof.«
»Lassen Sie mich zuerst mit ihr reden«, bat Cheng.
»Warum sollten wir das tun?« raunzte Lukastik.
»Ich vermute«, sagte Cheng, »daß Frau Reti trotz ihres Alters clever genug ist, sich dumm zu stellen, wenn da Polizisten auftauchen. Und in ihrem Alter darf sie sich dumm stellen, solange sie möchte. Oder?«
»Cheng hat vielleicht nicht unrecht«, fand Straka. »Es ist kein Schaden, wenn er zuerst mit der Frau spricht. Möglicherweise mag
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