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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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hervorbrachte, nicht ein Monster, aber eben ein herzloses, im Grunde stumpfsinniges Subjekt. Was ja dann wohl das Gegenteil von dem bedeutet hätte, was man sich gemeinhin als Folge von Philosophie erhofft und erwünscht. Nicht den guten, aber sicher doch den besseren Menschen.
    Lukastik begann zu zweifeln. Fragte sich, ob es wirklich angebracht war, das Tractatus-Büchlein wie ein zweites, nein, wie ein erstes Herz mit sich zu schleppen. Lukastik zweifelte wie jemand … Man stelle sich eine Person vor, die eines Tages den eigenen kleinen Blumengarten betritt, diese gepflegte und behütete Anordnung dressierter Natur, und plötzlich bemerken muß, daß ein Stück dieses Gartens fehlt. Einfach weg. Ein kleiner Flecken nur, aber eben verschwunden. Und niemand, der einem das erklären kann. Woraus verständlicherweise ein Gefühl der Unsicherheit folgt.
    Unsicherheit war nun wiederum genau das, was man bei Lukastik nicht erwartete. Im Gegenteil. Er war für seine Überheblichkeit etwa in Fahndungsfragen und kriminalistischen Strategien berüchtigt, auch dafür, befremdliche Entscheidungen zu treffen, die er selten erklärte, aber mit einer professoralen Miene für richtig erklärte. Und die sich oft gerade dadurch auch tatsächlich als richtig erwiesen, weil Lukastik an ihnen festhielt. In einer wankelmütigen Welt konnte das Beharren auf Fehlern sich als realitätsbildend herausstellen.
    Und natürlich nährte sich Lukastiks Selbstsicherheit aus seiner Lektüre des Werkes Wittgensteins. Darum seine Krise, die er zu verbergen suchte. Und wie! Die Polizei war alles andere als ein Ort, um sich auszuweinen und ein persönliches Dilemma wie das plötzliche Verschwinden eines kleinen Stück Gartens zu besprechen.
     
    Als Cheng und Lukastik sich begrüßten, zelebrierte Lukastik eine legere Haltung. Er hielt die Arme verschränkt, um aus dieser Verschränkung heraus seine rechte Hand nach vorn zu strecken, ohne eben die Verschränkung völlig aufzugeben. Ganz nach dem Motto, daß man wegen eines Detektivs, so berühmt dieser für seine Mißgeschicke auch sein mochte, nicht gleich eine gemütliche Stellung zu opfern brauchte. Aber wie gesagt, Lukastiks Selbstsicherheit besaß einen Riß. Und Cheng spürte diesen Riß, der eben nicht nur durch Lukastiks hingehaltene Hand ging, sondern auch einem jeden seiner kraftvoll gesprochenen Wörter den inneren Klang ermüdeten Materials verlieh. Lukastik war wie eins dieser Flugzeuge, welche, kurz bevor sie abstürzen, einen völlig normalen, stabilen Eindruck machen.
    »Sie sind jetzt in Kopenhagen, nicht wahr?« begann Lukastik, wie man beginnt: Sie verkaufen jetzt Plunder, nicht wahr?
    »Ein guter Platz«, stellte Cheng klar.
    »Besser als Wien?«
    »Für mich auf jeden Fall. Obgleich ich sagen muß, mich mit Wien versöhnt zu haben.«
    »Schön, das zu hören«, meinte Lukastik.
    Cheng ignorierte den bissigen Ton und erklärte, diesmal die Stadt gerne unverletzt verlassen zu wollen.
    »Das war dann gestern abend aber ziemlich knapp.«
    »Sie kennen ja diesen Spruch«, sagte Cheng, »knapp daneben ist auch vorbei.«
    »Worüber wir uns alle freuen«, warf Straka ein, als fürchte er, Lukastiks Art könnte Cheng beleidigen. Ihn zumindest animieren, sich bockig zu geben.
    Lukastik hingegen blieb ungebrochen argwöhnisch, als er Cheng jetzt fragte, ob ihm schon einmal der Name Clemens Armbruster untergekommen sei.
    »Nein. Sicher nicht. Hätte ich mir gemerkt. Was ist mit dem Mann?«
    »Wir haben ihn im Verdacht«, erklärte Lukastik, »daß er seine Frau hat ermorden lassen. Die Sache mit dem Haus, das vor vier Tagen in die Luft geflogen ist. Es sollte wie ein Unglück aussehen. Wofür eine Menge Menschen ihr Leben lassen mußten. Das Absurde daran ist, daß Armbruster im allerletzten Moment Skrupel bekam. Er hat noch versucht, seine Frau rechtzeitig aus dem Gebäude zu bringen. Was mißlang. Armbruster selbst kam unter die Trümmer. Aber er hatte Riesenglück. Er war kaum verletzt, als man ihn herausgebuddelt hat. Im Gegensatz zu seiner Frau. Die ist jetzt tot. So wie geplant.«
    »Ich hörte, eine Gasleitung sei leck gewesen.«
    »Wir haben Gründe«, äußerte Lukastik, »eine Manipulation anzunehmen. Freilich keine, die Armbruster selbst vorgenommen hat. Das wäre nicht seine Art, etwas selbst zu tun. Der Mann ist Immobilienmakler, kaltblütig und gerissen.«
    »Klingt aber nicht besonders gerissen, in ein Haus zu laufen, das gerade am Explodieren ist.«
    »Ein Moment der

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