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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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ihrem Sohn im Büro des Chefs dieser Firma erschien, einen Vorteil, mit dem nicht zu rechnen gewesen war. Denn dieser Chef hatte aus erster Ehe selbst ein Kind mit einer schweren Behinderung. Auch wenn er deshalb nicht gleich Solidaritätsbonusse verteilte oder in pure Nächstenliebe verfiel, so war er dennoch bereit, Frau Gemini zuzuhören. Und zwar genauer zuzuhören, als es seiner Art entsprach.
    Nachdem Anna Gemini nun dargelegt hatte, daß eine Instandsetzung des Hauses wohl viel eher die Behörden befriedigen würde als ein problematischer Neubau in gewachsener Umgebung, und es wohl auch für die Immobiliengesellschaft von Vorteil wäre, ein unsicheres Projekt gegen ein sicheres einzutauschen, beugte sich der Makler ein wenig vor, machte ein Gesicht, als beiße er auf eine Zwiebel, und fragte: »Sie verlangen hoffentlich nicht von mir, daß ich Ihnen diese Liegenschaft schenke?«
    »Wie kommen Sie denn da drauf? Mir ist bewußt, daß es teuer werden wird.«
    »Ich darf annehmen, daß Sie sich das leisten können. Oder zumindest Ihre Bank.«
    »Ich würde sonst nicht hier sitzen, nicht wahr?« pokerte Gemini.
    »Das heißt gar nichts«, erklärte der Makler, »bei mir sitzen manche Leute des Sitzens wegen, scheint mir. Oder um mir die Zeit zu stehlen. Aus reiner Wut gegen meinen Berufsstand.«
    »Meine Wut wäre bedeutend geringer, wenn Sie mir endlich einen Preis nennen würden.«
    »Dazu muß ich erst wissen, ob ich das Grundstück unter solchen Bedingungen überhaupt verkaufen möchte. Wir haben bereits in die Planung eines Neubaus investiert. Ich kann jetzt nicht alles umdrehen, nur weil Sie daherkommen und die Schönheit dieser alten Villa preisen. Ich lebe nicht von Schönheit, wie Sie sich denken können.«
    »Das verlangt auch niemand. Aber Sie sind doch der Chef hier, wenn ich das richtig verstanden habe. Sie können entscheiden, ob Sie mir dieses Haus und dieses Grundstück verkaufen wollen. Zu einem Preis, der sich für Sie lohnt.«
    »Das muß überlegt sein.«
    »Überlegen Sie. Und dann rufen Sie mich bitte an«, sagte Anna und schrieb eine Telefonnummer auf ein Blatt Papier, das sie vom Tisch ihres Gegenübers genommen hatte.
    Hätte sie es ihm aus seiner Hosentasche gezogen, wäre der Makler nicht minder beeindruckt gewesen. Dabei war er jemand, der sich selten begeistern ließ. Er hatte in der Regel wenig für seine Kundschaft übrig, ganz gleich, wie vermögend sie sein mochte. Er war ohne echte Lust in dieses Gewerbe hineingewachsen, hätte lieber Häuser entworfen, als sie zu verkaufen. Er spürte diese gewisse Verachtung seiner Person gegenüber, die sich selbst noch die größte Niete anmaßte. Als veräußere er Diebesgut. Er tat sich oft schwer, fremden Menschen gegenüber seinen Beruf zu erwähnen, trotz seines Erfolgs, dessen plakativer Ausdruck darin bestand, schnelle, flache Autos zu fahren und auf Madagaskar ein Haus zu besitzen, das wie ein abhebender Albatros an den Rand einer Klippe gebaut worden war. Aber derartiges erschien den meisten Leuten im Falle eines Maklers als selbstverständlich, angeboren, Teufelswerk, während der Umstand, daß dieser Mann über eine gediegene Sammlung historischer Fotografien verfügte, an einem Buch über mittelalterliche Mystik mitgearbeitet hatte und einer gemeinnützigen Stiftung ehrenamtlich vorstand, als reine Staffage betrachtet wurde. Wenn irgendeine dahergelaufene Prinzessin sich mit aidskranken Kindern ablichten ließ, wurde sie für einen Engel gehalten. Ein Makler aber war jemand, dem man nicht die geringste menschliche Regung zugestand. Wie eben auch niemand auf die Idee gekommen wäre, unter den Gehilfen des Sheriffs von Nottingham auch ein paar gute Kerle zu vermuten.
    Nun, ein harter Geschäftsmann war Clemens Armbruster zweifelsohne, und zwischenzeitlich auch viel zu sehr in die Härte des Geschäfts eingebunden, um sich eine Pause und ein zartes Gefühl erlauben zu dürfen. Dies änderte jedoch nichts daran, daß Anna Gemini ihn für sich eingenommen hatte. Vor allem, da von ihr nicht jene Maklerverachtung ausgegangen war, mit der er sich so oft herumzuschlagen hatte. Er konnte nicht ahnen, zu welcher Verachtung diese Frau fähig war. Er erkannte allein ihre nüchterne Zielstrebigkeit, mit der sie für sich und ihr Kind genau dieses Haus beanspruchte. Kein kleineres, kein größeres, kein anderes. Dieses Haus, um darin zu leben wie in einem zweiten Kopf. Das gab es, daß Leute, gleich über welche finanziellen Möglichkeiten sie

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