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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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kleinen, nein, einem winzigen Park, nicht unweit jener Villa, die ihr im wahrsten Sinne am Herzen lag und solcherart einen famosen Herzschrittmacher abgeben würde. Dieser Park mit seinen zwei Bäumen und zwei Bänken und dem bißchen Wiese füllte ein Dreieck aus, das sich aus der Vereinigung zweier Straßen ergab. Kein wirklich idyllischer Platz, aber einer, an dem man alleine war, von den Autos abgesehen, die in kleinen Gruppen intervallartig die leichte Erhöhung aufwärts fuhren.
    Es ging auf den Abend zu, alles schien gedämpft, weniger grell, gleichzeitig farbiger, ein Deckfarben-Abend. Ein paar Vögel machten ein ziemliches Theater. Carl sah hinauf in den Baum. Er mochte Bäume, er behandelte sie freundlich. Er grüßte sie. Er lächelte ihnen zu. Und wenn er auf ihnen herumkletterte, achtete er darauf, nicht etwa einen Zweig abzubrechen. Carls Baumliebe war somit ein weiterer guter Grund, dieses Haus, um das herum eine ganze Menge Bäume standen, zu erwerben.
    Anna Gemini erzählte davon. Als sie geendet hatte, fragte Smolek: »Und Sie verfügen über soviel Geld?«
    »Nein, ich verfüge nicht darüber.«
    »Und was kann ich jetzt tun? Sie wollen doch, daß ich etwas tue, nicht wahr?«
    »Sie sagten vor einiger Zeit, Sie hätten einen Job für mich.«
    »Ja, das sagte ich. Und daran hat sich auch nichts geändert.«
    »Ich gehe davon aus«, meinte Anna Gemini, »daß die Tötung eines Menschen halbwegs ordentlich entlohnt wird. Das würde für mich dann bedeuten, ein Eigenkapital vorweisen zu können, mittels dessen sich ein Kredit begründen ließe. Wie sagt mein Makler: Geben Sie mir Zucker, die Torte backe ich schon selbst. Er will also ein wenig Zucker, der gute Mann. Den muß ich ihm nun mal besorgen.«
    »Und Sie wären bereit, einen Auftrag zu erfüllen, ganz gleich, wer das Opfer ist?«
    »Natürlich nicht. So wenig wie Sie das tun. Ich gehe aber davon aus, daß unsere Prinzipien in dieser Hinsicht nicht völlig aneinander vorbeiführen«
    »Wie müßte der Mann aussehen«, fragte Smolek, »den Sie gerne töten? Optisch gesehen.«
    »Das ist doch wohl kaum eine Frage der Optik.«
    »Ich denke schon. Immerhin haben Sie von dicken Männern erzählt, die Ihnen auf dem Schießplatz durch den Kopf gehen.«
    »Ist der Mann denn schlank, den ich töten soll?«
    »Würde es Sie stören, wenn es eine Frau wäre? Eine schlanke Frau?«
    »Nein, das ist nicht unbedingt der Punkt. Aber ich denke, es würde mir schwerfallen, auf eine Frau zu zielen, die auch Mutter ist.«
    »Und auf einen Vater?«
    »Kein Problem«, erklärte Anna. Es klang ziemlich herzlos. Zudem vollzog sie eine abfällige Grimasse. Wahrscheinlich war sie der Meinung, daß Väter nicht wirklich existierten, daß ihre Bedeutung für Kinder eine bloß theoretische war, ein Gerücht, dessen Unsinnigkeit weitgehend unerkannt blieb, weil ungeprüft. Väter bestanden vor allem in Bildern, Bildern etwa der Werbung und des Films, Bilder, die dann in der Wirklichkeit nachgestellt wurden, selten freilich mit Liebe zum Detail, sodaß Männer, die kurzfristig Väter spielten, den Eindruck einer miserablen Aufführung hinterließen. Selbst noch die allerengagiertesten mit ihren Tragetüchern und Stoffwindelkenntnissen erinnerten an jene Maxime Adornos, daß es kein richtiges Leben im falschen gebe. Der Vater als aktive Figur war eine Erfindung der Moderne, die auf wackeligen Beinen stand. Eine Erfindung, die vor allem von den Männern selbst in keiner Sekunde wirklich ernst genommen wurde.
     
    Kurt Smolek erläuterte nun, daß es sich bei dem potentiellen Opfer um ein ideales, zumindest ein halbwegs ideales Opfer handle, einen Geschäftsmann mit dubiosen Kontakten und dubiosen Freundschaften, dessen Kinder längst erwachsen seien und dessen Rolle als Großvater über das Posieren auf Familienfotos nicht hinausgehe. Wenn man zumindest seiner Frau glauben dürfe. Und das sei nun mal das vernünftigste.
    »Was ist das vernünftigste?« fragte Anna.
    »Na, dieser Frau zu glauben, was sie erzählt.«
    »Sie ist es doch, die ihren Mann gerne tot sehen möchte. Oder?«
    »Aus gutem Grund«, sagte Smolek. »Aber bitte, wir dürfen nicht verlangen, die ganze Wahrheit zu kennen. Das wäre vermessen. Begnügen wir uns mit der halben.«
    Sodann unterstrich er, ausschließlich privaten Personen mit privaten Gründen zu helfen, ihre Sorgen loszuwerden. Etwas anderes verbiete sich. Keineswegs aber verbiete sich, vom eigentlichen Motiv abzulenken. Was im vorliegenden Fall

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