Ein dickes Fell
ich dich kenne, wirst du dich weigern, zur Kontrolle ins Krankenhaus zu gehen.«
»Da kennst du mich richtig«, sagte ich.
Er seufzte in der typischen Hausarztmanier und erklärte – mit Blickrichtung auf die Hausangestellte –, daß eine solche Ohnmacht angesichts des Todes meines Mannes nur verständlich sei. Sodann schrieb er die Namen zweier Präparate auf ein Formular, welches er dem Dienstmädchen reichte. Die Tabletten waren gewissermaßen für den Hund. Ich wäre nie bereit gewesen, etwas einzunehmen, was mich aufblähte. Und eine jede Medizin bläht einen auf. Gleich, was behauptet wird.
»Draußen warten Freunde von dir«, sagte der Arzt mit Neid in der Stimme.
»Laß sie rein. Dann kannst du gehen. Die passen schon auf mich auf.«
Erneut seufzte der Arzt. Er hätte ein Buch über seine Seufzerei schreiben können. Aber welcher Arzt nicht?
Nachdem Sam, der coole Sam, sich dieses eine Mal vergessen und mich geschlagen hatte, änderte er seine Taktik. Was bedeutete, daß er die Idee aufgab, mich mittels der Drohung weichzuklopfen, jemanden aus meiner Familie zu entführen, zu quälen oder zu töten. Er vermutete wohl, daß ich bereit gewesen wäre, selbst die Gefährdung eins meiner erwachsenen Kinder in Kauf zu nehmen. Und mir dabei etwas ähnlich Schräges wie im Falle Einars hätte einfallen lassen.
Nun, es besteht natürlich ein Unterschied zwischen den eigenen Kindern und dem eigenen Ehemann. Doch Sam Soluschka hielt mich anscheinend für skrupellos genug, diesen Unterschied nicht zu machen. (Es war unser aller Glück, daß er das glaubte, daß er mich für ein Schwein hielt, das ich nicht war. Aber die Ermordung meines Mannes warf nun mal ein schlechtes Bild auf mich. Und das sollte es ja auch.)
Sam war jedenfalls dazu übergegangen, mich nicht mehr aus den Augen zu lassen. Wobei er dies nicht heimlich tat, sondern die Bewachung auf eine offenkundige Weise betrieb. Ich sah ihn jetzt des öfteren auf seinem Balkon stehen, wie er mit dem Feldstecher zu mir heruntersah. Alte Geschichte: Ich war von der Beobachterin zur Beobachteten mutiert. Ging ich aus dem Haus, kam Sam wenig später aus dem seinen. Er war in Narvik genauso anwesend, wie er später dieselben Lokale aufsuchte. War ich in London, war er auch in London. Besuchte ich eine Sitzung der Norwegischen Literaturgesellschaft, war er plötzlich als deren Ehrengast zugegen. Auch setzte er Leute auf mich an, kleine Ganoven wohl, vielleicht auch Angestellte einer Sicherheitsfirma. Typen halt, die um die Ecke standen, in ein Taxi stiegen, wenn ich in ein Taxi stieg, neben mir in der Bücherei saßen und so weiter. Ich befand mich unter rigoroser Kontrolle.
»Denkst du, das stört mich?« fragte ich ihn, als er wie zufällig in einem Restaurant neben mir zu sitzen kam. Ich war dort mit einer Freundin, der die Augen aus den Höhlen fielen, als sie Sam sah.
»Wenn es dich jetzt nicht stört«, sagte Sam, »stört es dich später.« Und prophezeite, daß wenn es soweit wäre, daß ich das Fläschchen 4711 von wo auch immer abholte, er zur Stelle sein würde.
»Vielleicht hole ich es gar nie ab«, gab ich zu bedenken.
»Das wirst du mit Sicherheit«, meinte Sam. »So ein Ding läßt einem keine Ruhe, man kann es nicht einfach irgendwo einsperren und vergessen.«
»Wir werden ja sehen«, sagte ich.
»Aber natürlich«, antwortete Sam mit seinem berühmten Grinsen, drehte sich von mir weg, stand auf und empfing irgendeine Berühmtheit. Ich glaube, es war Madonna, die gerade plante, einen Text von Sam vertonen zu lassen.
»Ich werde verrückt«, sagte meine Freundin, »Madonna und Sam Soluschka. Und wir sitzen daneben und essen Muscheln.«
»Die Muscheln halten das schon aus«, sagte ich.
Die Freundin fragte mich flüsternd, ob ich was mit Soluschka hätte.
»Kannst du etwas für dich behalten?« fragte ich.
»Aber sicher«, antwortete sie.
»Ich werde Soluschka töten.«
Sie kicherte.
Das war das erste Mal, daß ich an eine solche Möglichkeit dachte. Recht spät eigentlich. Zumindest wenn man bedachte, mit welcher Leichtigkeit ich den Tod meines Mannes in Kauf genommen hatte. Anstatt gleich auf die Idee zu kommen, Sam Soluschka auszuschalten.
Meine Freundin kicherte also und fragte: »Was hat es denn mit dem 4711 auf sich?«
»Vierzehn«, sagte ich. »Die Summe der vier Ziffern ergibt eine Vierzehn. Unsere Glückszahl.«
»Wie niedlich«, meinte sie und kicherte in ihre Muscheln hinein.
Hinter mir hörte ich diese Madonna über
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