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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Norweger, waren in die Wiener Polizeiarbeit involviert worden. Offiziell glaubte man an ein politisches Attentat, immerhin war Einar einst Botschafter in Chile gewesen. Aber alle, die sich auskannten, wußten, daß das ganz schön dämliche Terroristen hätten sein müssen, die einen Operettendiplomaten wie Einar Gude als Ziel auswählen. Weshalb man nicht umhin kam, sich auch über meine Rolle ein paar Gedanken zu machen. Aber dabei kam nichts heraus. Kein Verdacht hielt. Schon gar nicht jener, ich hätte etwas damit zu tun, daß Einar vor seiner Abreise nach Wien fünfzigtausend Dollar von seinem Konto abgehoben hatte. Wohin auch immer das Geld verschwunden war. Man ließ mich bald wieder in Ruhe. Ich durfte ungestraft Witwe sein. Soweit das Offizielle.

38 Fünf
    Noch am Tag bevor ich nach Narvik reiste, um Einar unter die Erde zu bringen, kam Sam herüber. Weshalb ich die drei Freunde, die gerade im Zimmer standen, um mir in der schweren Stunde beizustehen, mit Aufgaben betraute und wegschickte. Das Dienstmädchen wies ich an, Obst einzukaufen. Ich sagte ihr, daß Einar es geliebt hätte, wie hübsch sie stets das Obst in den Schalen drapiert hatte, wie delikat und dekorativ. Das Dienstmädchen verließ unter Tränen die Wohnung.
    Nachdem wir endlich alleine waren, ließ sich Sam aufs Sofa fallen, an die Stelle, an der beim letzten Mal Einar gesessen hatte. Keine Frage, er wußte ganz gut, daß das Einars Platz war und es sich nicht gehörte, so kurz nach dem Tod des Botschafters sich genau dort niederzulassen. Aber so war Sam nun mal. Er grinste auf seine bissige wie laszive Art, schlug die Beine übereinander, lehnte sich weit zurück, sah mich von oben bis unten an und fragte: »Was soll das?«
    »Was soll was?« fragte ich zurück, ohne mich zu setzen.
    »Tu nicht so, Magda.«
    »Einar ist tot«, sagte ich. »Es wird dir also schwerfallen, mir damit zu drohen, ihm weh zu tun. Oder was auch immer du vorhattest, zu unternehmen.«
    »Soll ich wirklich glauben, er wäre das Opfer einer politischen Intrige?«
    »Gerade das, lieber Sam, sollst du nicht glauben. Ist ja auch nicht der Fall. Vielmehr ging es darum, dir zu zeigen, wie wenig deine Mafiamethoden mich beeindrucken. Da mußt du früher aufstehen, schöner Mann.«
    Sam wand sich ein wenig. Er fragte, ob ich ihm ernsthaft einzureden versuche, ich hätte meinen Mann auf dem Gewissen, Einar erschießen lassen, um ihn aus seinem, Sams, Schußfeld zu bekommen. Lieber so tot als anders tot.
    »Die Schlüsse mußt du selbst ziehen«, sagte ich, »aber zieh die richtigen. Und glaub nicht, du könntest mir angst machen. Indem du weiter damit drohst, böse zu sein und ein Mitglied meiner Familie zu gefährden.«
    »Ich kann nicht fassen«, sagte Sam, »daß du deinen Mann hast töten lassen, um ihn in Sicherheit zu bringen. Das wäre verrückt.«
    »Verrückt ist es, an einem Golem zu basteln.«
    »Ich sagte schon, um einen Golem geht es nicht.«
    »Worum geht es dann?«
    »Um den alten Traum vom ewigen Leben. Für jemand, der nicht an die Erlösung mittels Paradies glaubt, ein nachvollziehbarer Traum.«
    »Und du meinst, ein Fläschchen 4711 könnte dir diesen schwachsinnigen Traum erfüllen?«
    »So heißt es.«
    »Wo heißt es so?« fragte ich.
    »In einer alten Aufzeichnung, die von Kartäusermönchen stammt.«
    »Wie? Du glaubst zwar nicht an Gott, nimmst aber ein von masochistischen Christen verfaßtes Papierchen für bare Münze?«
    »Wer sagt denn, daß ich Gott leugne? Ich meinte nur, daß wir uns sparen können, an Erlösung von oben zu glauben. Erlösung setzt einen milden Schöpfer voraus. Aber wieso sollte ein Schöpfer milde sein? Nur, weil das eine nettere Vorstellung ist? Weshalb setzen wir so etwas voraus? Bei einem Gott – nehmen wir den Urknall –, der mit einer solch wütenden Entladung beginnt. Nein, da glaube ich schon eher an ein Zauberwässerchen, das mir die Möglichkeit gibt, mich immer wieder zu erneuern. Mich immer wieder frisch aus der Taufe zu ziehen. Mein eigener Golem zu sein.«
    »Was muß man dazu tun?« fragte ich. Und zwar im Ernst. Ich war jetzt wohl auch endgültig übergeschnappt.
    »Einen Schluck nehmen«, erklärte Soluschka. »Im Moment des eigenen Todes.«
    »Und wenn man zu früh schluckt?«
    »Habe ich versucht. Ich dachte mir das in einem homöopathischen Sinn. Nach dem Motto, daß wenn es nichts nutzt, es auch nichts schadet. Aber das war ein Irrtum, und was für einer. Ein Tröpfchen bloß – und schon ging ich durch

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