Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
ist ein Verrückter, der an Zeitlöcher glaubt.«
    »Meine Güte, Gemini, was wollen Sie? Der Mann ist erfolgreich, ein großer Komponist, wie es heißt. Ich will jetzt nicht von Robert de Niro sprechen.. Jedenfalls verhält Janota sich ausgesprochen klug. Das ist doch was. Außerdem sieht es hübsch aus, wie er da neben Ihrem Sohn sitzt und Brahms spielt.«
    »Zemlinsky. Er spielt Zemlinsky.«
    »Von mir aus. Jedenfalls verfügt er über eine Menge Pluspunkte. Ich denke, es gibt Schlimmeres, als sich für Zeitlöcher zu begeistern.«
    »Wieso machen Sie Werbung für ihn?«
    »Ich werbe nicht. Ich denke. Und ich schaue. Und was ich sehe, ist, wie ideal hier alles zusammenkommt. Bei Kaminfeuer und Zemlinsky. Eine Punkerin, die darauf achtet, daß man Hausschuhe anzieht, Vater und Sohn am Klavier, die perfekte Mutter inmitten ausgesuchter Möbel …«
    »Was soll der Spott?«
    »Ich spotte nicht. Das ist ein schönes Haus. Hier nistet eine gute Atmosphäre.«
    »Wenn ich mich recht erinnere«, sagte Anna Gemini, »besteht Ihr Auftrag darin, mich zu überführen. Nicht, mich zu verheiraten.«
    »Mein Auftrag besteht darin, die Rolle Magda Gudes zu klären. Wofür nicht nötig sein wird, eine Familie zu zerstören, die gerade erst im Begriff ist, eine solche zu werden.«
    »Ich kenne diesen Janota doch kaum.«
    »Sie wollten ihn töten, haben es aber nicht getan. Das ist ein guter Anfang für eine Ehe.«
    »Ich habe ihn nicht getötet, weil es nicht ging. Dank Ihnen. Außerdem ist er verheiratet. Sie vergessen das. Wie Sie vergessen, weshalb ich ihn töten sollte, weil er nämlich seine kleine, liebe Frau ins Irrenhaus gebracht hat. Netter Mann, von dem Sie da schwärmen.«
    »Man kann sich scheiden lassen. Und man kann sich ändern«, sagte Cheng. Und fragte sich in Gedanken: »Meine Güte, was rede ich da?«
    Aber es stimmte schon, der Detektiv Cheng besaß einen Hang zu Idyllen. Erst recht in diesem Moment, da er selbst von größter Liebe erfüllt war. Jawohl, er war weit davon entfernt, Anna Gemini ins Gefängnis bringen zu wollen. Ganz im Gegenteil. Er war jetzt wirklich der Engel, der gekommen war, um die Welt zu retten. Nicht die ganze, wie Magda Gude das versuchte. Bloß ein Stück davon. Dieses kleine Familienstück, in dem ein behinderter Junge eine famose, beamselte Punkerin als Freundin und einen Komponisten als Stiefvater haben konnte und eine Frau wie Anna Gemini eigentlich nicht mehr zu tun brauchte, als fortgesetzt das Haus zu renovieren und ihre Familie zusammenzuhalten. Wie man Dinge zusammenhält, indem man sie verschraubt.
    »Hören Sie zu!« sagte Cheng, wobei er seine periodische Entschlossenheit verspürte. »Wir gehen jetzt zu diesem Festakt, weil das so sein muß. Sie versprechen mir aber, nichts anderes zu tun, als ein Glas Sekt in der Hand zu halten, hübsch dazustehen, sich von niemand ansprechen zu lassen, schon gar nicht von Frau Gude, und im übrigen absolut unbeteiligt zu bleiben, was auch immer geschieht. Vor allem lassen Sie bitte Ihre Pistole zu Hause.«
    »Was denken Sie, was dort geschehen wird?«
    »Das kann ich nicht sagen. Aber was auch immer es ist, es soll Sie nicht kümmern. Daran müssen Sie sich halten.«
    »Und dann?«
    »Ich vergesse ganz einfach, daß Sie den Mann, den Sie bald heiraten werden, erschießen wollten. Auch werde ich allen, die es wissen wollen, erklären, Sie hätten mit der Ermordung eines gewissen Botschafters nichts zu tun.«
    »Ich habe auch nie etwas anderes behauptet.«
    »Schon gut«, meinte Cheng. »Allerdings müssen Sie aufhören, auf diese gewisse Weise Ihr Geld zu verdienen. Das geht nun nicht mehr. Egal, was ich aussage, man wird nicht darauf verzichten, Sie im Auge zu behalten.«
    »Sie sind ein merkwürdiger Mensch«, sagte Anna und erhob sich.
    »Ich glaube nicht, daß ich ein Mensch bin«, antwortete Cheng. Das war richtig und auch wieder nicht. Die Wahrheit ist mitunter komplizierter als eine Quizsendung, bei der es darum geht, einen Gecko von einem Skink zu unterscheiden.
    Anna Gemini trat hinüber zu der kleinen Klaviergruppe, strich ihrem Sohn über das Haar und warf Qom einen Von-Frau-zu-Frau-Blick zu, und zwar einen von der freundlichen Art. So was gibt es auch. Ja, Anna hatte sich überwunden. Sie akzeptierte dieses Mädchen, akzeptierte ihre Rolle als künftige Beschützerin Carls. Und Carl benötigte nun mal Schutz. Was Anna freilich überhaupt nicht akzeptierte, war dieses Mannsbild am Klavier. Dennoch sagte sie nun an Janota

Weitere Kostenlose Bücher