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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Besitz des Verstorbenen stammte, konnte sie jenes Grundkapital unter die Nase des Maklers reiben, welches ihn, den Makler, vollends überzeugte. Man darf sagen, daß Clemens Armbruster, ohne sich eine Blöße zu geben, ebenfalls ein großes Glück dabei empfand, nun mit Anna Gemini eine Geschäftsbeziehung eingegangen zu sein. Eine erste Art von Beziehung. Das Finanzierungsmodell, das er für sie entwarf, wie man ein perfektes Kostüm für einen ganz bestimmten Körper schneidert, war wie ein uneingestandener, stark chiffrierter Liebesbrief. Auch das soll es geben.
    Natürlich kann ein solches Aktienpaket nicht ohne jegliche Umstände den Besitzer wechseln. Allerdings waren die Geschäftspraktiken des lieben Toten in höchstem Maße geeignet gewesen, jenen Smolekschen Imperativ zu erhalten, nachdem das Opfer seine Ermordung selbst zu bezahlen habe. Der Verstorbene mochte, wo auch immer seine Seele nun einsaß, angesichts dieser Manipulation toben, vielleicht jedoch erkannte er die sanfte, versöhnliche Ironie, die darin bestand, nicht nur den eigenen Tod finanziert, sondern damit auch seiner Mörderin eine bessere Zukunft ermöglicht zu haben. Das hatte etwas Gutes und Richtiges, umso mehr, als zwischen Täter und Opfer ja nichts Persönliches gestanden hatte. Außer diesem heftigen Kuß Marke Schwalbennest.
    Anna Gemini kaufte also jenes Haus unterhalb der Wotrubakirche, das von ihr selbst, und von allen, die sie kannten, von da an nur noch als die Gemini-Villa bezeichnet wurde. Wobei Villa ein hochtrabendes Wort war, angesichts eines Gebäudes, das sich bei noch näherer als der bisher nahen Betrachtung doch wieder als ziemlich baufällig erwies. Holzwürmer hatten ihren Beitrag geleistet und leisteten ihn weiter. Einer der beiden kleinen, spitzen Türme drohte abzustürzen, und die Winddurchlässigkeit des ganzen Gebäudes ließ recht bald herbstliche Gefühle aufkommen.
    Doch keinesfalls wurde Annas Glück dadurch geschmälert. Auch nicht jenes Carls, der inmitten der Bäume und Sträucher das Leben eines großstädtischen Baummenschen führte, sich jedoch insofern von Italo Calvinos zwischen den Ästen hausendem Grafen unterschied, indem er erstens auch noch woanders lebte und zweitens einen Dialog mit den Bäumen pflegte. In einer Sprache, von der auch Anna nicht sagen konnte, ob es nun eine berauschend perfekte Kunstsprache oder bloß ein recht kunstvolles, aber unkontrolliertes Geplapper darstellte. Sich eine Sprache der Bäume zu denken, die Carl beherrschte, so weit ging Anna nicht. Allein schon darum nicht, weil sie eine Abscheu vor der Esoterik hegte und Leute nicht ausstehen konnte, die in jeder Topfpflanze einen Therapeuten sahen und aus dem Zustand ihrer Bettwäsche die Zukunft lasen.
    Mit dem Erwerb des Hauses war es also nicht getan. Ein Kredit mußte zurückgezahlt und eine gründliche Renovierung des Gebäudes vorgenommen werden. Wobei Anna Gemini nicht nur nicht das Vermögen besaß, einfach einen Bautrupp und eine Horde Handwerker zu bestellen, sondern es ganz grundsätzlich vorzog, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Soweit das eben möglich war. Sie hatte schon immer ein Faible für solche Tätigkeiten wie das Aufstemmen von Wänden gehabt, nur daß es bisher an den richtigen Wänden gefehlt hatte. Jetzt aber konnte sie stemmen, bis ihr die Hände abfielen.
    Freilich verfügte sie über eine erstaunliche Kondition. Ihre Kraft, ihr Geschick, auch ihr Geschick im Umgang mit Verhängnissen, die in der üblichen inflationären Weise auftraten, ihre Unnachgiebigkeit angesichts der Probleme, sodaß schlußendlich die Probleme nachgaben, das alles überraschte und begeisterte und machte aus Anna eine Frau, vor der sich vor allem die Männer in einer erregenden Weise zu fürchten begannen, ohne natürlich ahnen zu können, wie sehr diese Furcht begründet war. Was auch für jenen Makler namens Armbruster galt, der immer wieder mal vorbeisah und vorsichtig seine Hilfe anbot. Indem er etwa Ausschau nach einer bestimmten Art von Bodenfliesen hielt, um den hundertjährigen Urzustand des Badezimmers zu erhalten.
    Nicht, daß Anna vorhatte, aus diesem Haus ein Museum zu machen, aber die Frage, ob originale Teile instand zu setzen waren oder sich eher eine Neugestaltung anbot, konnte man in derselben Weise wie im Falle eines schwerverletzten Menschen beantworten: Gegen die Implantation einer fremden Niere, war dies nötig, hatte wohl kein Patient etwas einzuwenden. Aber man stelle sich vor, ganze Partien

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