Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
hätte. Wenn die beiden tatsächlich ein Liebespaar waren, dann in der Art von Bestien, wo einer den anderen danach verspeist und nur die Frage bleibt, wer als erstes zubeißt.
    Im Weggehen sagte Magda: »Verlaß dich auf mich.«
     
    Und tatsächlich war Verlaß auf Magda Gude. Noch in derselben Nacht setzte sie sich neben ihren Mann aufs Bett, als dieser recht umständlich das Smokinghemd von seinem massiven Oberkörper schälte, half ihm seine vom Alkohol ein wenig mürben Arme aus den Ärmeln zu ziehen und ging sodann daran, seine Hose zu öffnen und sein Geschlecht in diesem Ach-was-haben-wir-denn-da-Gehabe aus der Hose zu ziehen, die Eichel zu entblößen und mit der Zungenspitze ein System ziemlich gerader Linie aufzuzeichnen.
    »Was soll das, Magda?« stöhnte Einar und verkrallte sich in die Bettdecke.
    Die Frage war mehr als berechtigt, denn seine Frau hatte sich in den beiden Jahrzehnten ihrer Ehre konsequent geweigert, eine derartige Praktik vorzunehmen. Der orale Part war ihr zutiefst zuwider, und zwar keineswegs, weil sie ganz allgemein für einen konventionellen Sex votierte. Diese spezielle Handlung aber, mit all ihren Versionen und Steigerungen, bereitete ihr Übelkeit. Es war ihr zuwider, etwas Lebendes im Mund zu haben. Ganz abgesehen von dem Lebenden, das da noch folgen konnte. Sie mußte dabei an Quallen denken. Und wenn man an Quallen denkt, denkt man auch an Nesseln.
    Dies galt in gewisser Weise auch für Zungenküsse. Wenngleich eine Zunge sich bei weitem netter anfühlte, geschmeidiger, auch bescheidener. Zudem traf ja eine Zunge auf eine andere Zunge, woraus sich so etwas wie Fairneß ergab. Als wär’s allein eine Sache der Zungen, nicht der Zungenbesitzer. Jedenfalls hatte Magda deswegen noch nie einen Mann von sich gewiesen. Wenn selbiger aber einen geblasen haben wollte, dann bekam er Schwierigkeiten. Und das galt im Falle eines jeden Mannes. Ohne Ausnahme. Genau das aber hatte ihr Gatte seit jeher bezweifelt. Er konnte einfach nicht glauben, daß für Magda alle Schwänze gleich waren. Absolut gleich. Dazu kam, daß Einar Gude seit jeher eine große Vorliebe für ausgerechnet diese Form der Lusterfüllung verspürte. Darum auch hatte er sich entgegen jeglicher Vernunft der »jungen Schweiz« überantwortet. Jener zwanzigjährigen Person namens Nicole, die keine Schwierigkeiten hatte, alles mögliche in den Mund zu nehmen. Wieviel Spaß ihr das bereitete, war eine andere Frage. Eine Frage, die sich Einar nicht stellte. Sehr wohl aber dachte er über die Abneigung seiner Frau nach. Das war ein Thema, das ihn beschäftigte, wie kaum ein anderes. Und zwar in einer Weise, als sei der Verzicht auf oralen Geschlechtsverkehr entweder Ausdruck einer schweren Psychose oder entspringe einer tiefgründigen Bösartigkeit.
    Dementsprechend überrascht war er nun, daß ausgerechnet in einer recht betrüblichen Phase seiner Ehe Magda seinem sehnlichsten Wunsch entsprach. Denn die Schweiz allein war ihm ja immer nur Ersatz gewesen, so wie die Schweiz ganz allgemein als Ersatz fungiert, als Ersatz für die Welt und als Ersatz für das Leben.
    Natürlich drängte sich dem Botschafter sofort ein bestimmter Gedanke auf, und während er bereits im Mund seiner Frau erblühte, erklärte er fest: »Wenn du meinst, das wäre mir fünfzigtausend Dollar wert, dann täuschst du dich.«
    Sie sagte nichts. Was hätte sie auch sagen sollen? Ganz abgesehen davon, daß sie an dem Ding zwischen ihren Lippen und Zähnen wie an einer im Weg stehenden Person hätte vorbeisprechen müssen.
    Magda wußte zu gut, wie sehr dieser Augenblick ihren Mann verwirrte und beglückte, und wie sehr ihn dies veranlassen würde, ein paar Dinge zu überdenken. Also gab sie sich Mühe, indem sie in keinem Moment ihren Widerwillen zur Geltung brachte, jetzt nicht, und auch nicht danach. Was also bedeutete, daß sie, nachdem Einar sich entladen hatte, nicht etwa ins Badezimmer stürmte, sondern das Zeug schluckte. Wobei sie sich leichter tat, als erwartet. Sie war jetzt kalt und geschäftsmäßig. Auch verlogen, aber in einer Weise, die ihr nichts von ihrer Würde nahm.
    »Warum?« fragte Einar, nachdem er ein wenig zur Ruhe gekommen war und die Glut in seinem Gesicht abgenommen hatte. »Du kannst mir nicht erzählen, daß das nichts mit dem Geld zu tun hat.«
    »Natürlich hat es das. Wenn ich dich um fünfzigtausend Dollar bitte und nicht sagen möchte, wofür ich das Geld benötige, dann ist wichtig, daß du mir vertraust. Du vertraust

Weitere Kostenlose Bücher