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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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von der Waage gestiegen und hatte sich auf einen Stuhl gesetzt, um ihre Beine in ein Paar schwarze Nylonstrümpfe einzukleiden.
    »Du weißt doch, wovon ich spreche.«
    »Nein, tut mir leid, weiß ich nicht«, erklärte Magda. »Es geistern zu viele Gerüchte durch deinen Kopf, als daß ich sagen könnte, welches du gerade meinst.«
    »Mit einem Gerücht hat das nichts zu tun. Du triffst dich mit diesem Schriftsteller.«
    »Ich bitte dich, ich treffe mich mit einer ganzen Menge Schriftsteller. Und einer ganzen Menge Männer. Meine Güte, Darling, wir sind erwachsen. Sogar unsere Kinder sind erwachsen. Es gibt wirklich keinen Grund, daß ich den ganzen Tag damit verbringe, alte Möbel zu restaurieren, Kochbücher zu schreiben oder Tapeten zu entwerfen. Ich verabrede mich mit Leuten, na und? Das braucht dich nicht zu kümmern.«
    »Es kümmert mich aber, wenn du mit diesem … Wie heißt der Kerl?«
    »Was stört dich an ihm? Daß er nicht fett ist, so wie du dir vorstellst, daß er sein müßte?«
    »Ich will nicht, daß man über dich redet. Ich will nicht, daß du dich lächerlich machst.«
    »Ich mache mich nicht lächerlich«, sagte Magda und fuhr in die Schlaufen ihres Büstenhalters, als drücke sie einen Tanzpartner an sich. Sie besaß einen großen, schweren, mütterlichen Busen. Hätte sie sich für eine Welt ohne Büstenhalter oder für eine Welt ohne Männer entscheiden müssen, sie hätte gar nicht erst nachzudenken brauchen.
    »Der Kerl«, äußerte der Botschafter, »ist mehr als zwanzig Jahre jünger als du.«
    »Ich sagte schon einmal, er ist nicht der einzige Mann, mit dem ich ausgehe. Manche sind jünger, andere älter. Ist das eine Überraschung?«
    »Jedenfalls wäre mir lieber«, erklärte der Botschafter, »wenn du den Kontakt beenden würdest. Ich schreibe dir das nicht vor, natürlich nicht. Es ist eine Frage der Vernunft. Dieser Kerl … Wie heißt er?«
    »Ich dachte, du hast seine Bücher gelesen.«
    »Absoluter Schrott«, kommentierte der Botschafter.
    »Gib zu, mehr als ein paar Seiten hast du nicht durchgestanden.«
    »Mehr ist auch nicht durchzustehen.«
    Magda schwieg. Mit einem Finger fuhr sie über die leichte Wölbung ihres Bauches, so sanft, als streichle sie den Rücken einer Katze. Sodann legte sie eine Perlenkette um ihren Hals und richtete ihr Haar. Ein volles Haar, das hervorragend zu ihrem Busen paßte.
    »Dieser Typ«, fuhr Einar Gude fort, »hat alles andere als einen guten Ruf. Es heißt, er sei viel eher ein Zuhälter als ein Schriftsteller.«
    »Er ist ein Popstar, Darling, kein Zuhälter. Das ist ein Unterschied.«
    »Gehst du mit ihm aus, weil er ein Popstar ist?«
    »Hör zu, Einar, ich lasse mich hin und wieder von ihm zum Essen einladen. Du weißt doch, der Mensch muß auch essen.«
    »Haha!«
    »Entspanne dich, Darling. Ich schlafe nicht mit dem Jungen.«
    »Die Presse könnte es aber glauben.«
    »Tut sie aber nicht. Die Journalisten sind gut zu mir, weil ich gut zu ihnen bin. Hör also endlich auf, dir Sorgen zu machen. Und laß uns jetzt über etwas anderes reden.«
    »Und zwar?«
    »Ich bräuchte Geld.«
    »Ach, bräuchtest du. Wieviel?« fragte Einar, dieser explizit weißhaarige Mann mit seinem rechteckigen Gesicht, seinem Hals von der Kürze eines Hundehalsbands und einem Brustkorb, der in der Art einer Tiefkühltruhe seinen Körper, seine ganze Erscheinung definierte. »Wieviel?«
    Das Ehepaar Gude hatte sich angewöhnt, gleich an welchem Ort der Welt man sich gerade befand, größere Beträge immer nur in Dollar anzugeben. Und während nun Magda in ihr kurzes, artischockenfarbenes Kleid schlüpfte, sagte sie, durch das dünne Gewebe redend: »Fünfzigtausend.«
    Wie hoch auch immer ein Betrag war, Magdas Stimme betonte stets diese gewisse Banalität monetärer Erscheinungen. Es klang nie, als hätte sie ein Problem damit, eine bestimmte Summe nicht zu erhalten. Es klang eher, als könnte sie einfach nichts dafür, daß irgendwelche Dinge auf dieser Welt, Dinge wie Essiggurken oder Kleider von Givenchy, Geld kosteten. Magda war nicht dumm, das war sie bekanntermaßen nicht. Aber sie nahm sich die Freiheit, dem Geld gegenüber eine Verachtung auszudrücken. Nicht aber gegenüber den Dingen, die man damit erwarb.
    »Fünfzigtausend!?« wiederholte Einar, der ja ein gutverdienender, aber sicher kein schwerreicher Mann war. »Das ist ein Haufen Geld. Wofür?«
    »Um jemand zu bezahlen.«
    »Und wen, wenn ich fragen darf? Ich darf doch fragen?«
    »Es betrifft

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