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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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wusste genau, dass der Weihnachtspudding in einer besonderen Form aufbewahrt wurde. Sie presste den Stein in den anderen Pudding – in denjenigen, der zu Neujahr gegessen werden sollte. Bis dahin hatte sie genügend Zeit, ihre Abreise vorzubereiten. Wenn sie ging, wollte sie natürlich den Neujahrspudding mitnehmen. Am Morgen des Weihnachtstages passierte dann ein Unglück. Der Pudding in der fantasievoll verzierten Weihnachtsform wurde fallen gelassen. Die Form zersprang auf dem Steinfußboden in viele Stücke. Was sollte man tun? Die gute Mrs Ross nahm also den Neujahrspudding und ließ ihn servieren.«
    »Guter Gott!«, rief Colin aus. »Wollen Sie damit sagen, dass der Rubin echt war, den Großvater, als er seinen Pudding aß, aus dem Mund holte?«
    »Genau! Und du kannst dir vorstellen, was in Mr Lee-Wortley vorging, als er es bemerkte. Eh bien, was geschah als Nächstes? Der Rubin wurde herumgereicht. Ich prüfte ihn. Es gelang mir, ihn unauffällig in meine Tasche gleiten zu lassen. Ich machte es ganz unauffällig, als geschähe es ganz aus Versehen. Ein bestimmter Jemand beobachtete allerdings genau, was ich tat. Als ich im Bett lag, durchsuchte er mein Zimmer. Er tastete mich sogar ab, aber er fand den Rubin nicht.«
    »Weil Sie ihn Bridget gegeben hatten«, vermutete Michael atemlos. »Das meinen Sie doch, das ist also der Grund. Aber ich verstehe nicht ganz – ich meine… Hören Sie, was geschah dann?«
    Poirot lächelte ihn an. »Kommt in die Bibliothek und schaut zum Fenster hinaus! Ich werde euch dort etwas zeigen, was das Geheimnis aufklärt.« Er ging voraus, und sie folgten ihm. »Denkt noch einmal an den Schauplatz des Verbrechens!«
    Er zeigte zum Fenster hinaus, und alle hielten zur gleichen Zeit die Luft an. Im Schnee lag keine Leiche mehr! Nichts deutete mehr auf eine Tragödie, nur eine Menge zertrampelten Schnees war zu sehen.
    »Ich habe das doch nicht geträumt«, murmelte Colin fast unhörbar. »Hat jemand die Leiche weggeschafft?«
    »Ah«, sagte Poirot. »Das Geheimnis der verschwundenen Leiche!« Er nickte mit dem Kopf und zwinkerte mit den Augen.
    »Monsieur Poirot«, rief Michael, »haben Sie uns vielleicht die ganze Zeit an der Nase herumgeführt?«
    Poirot lächelte verschmitzt.
    »Es ist wahr, Kinder, ich habe mir einen kleinen Spaß erlaubt. Ich wusste nämlich von eurem Plan und bereitete einen Gegenplan vor… Ah, voilà, Mademoiselle Bridget! Hoffentlich stellen sich keine schlimmen Folgen ein, weil Sie lange im Schnee gelegen haben. Ich würde mir nie verzeihen, wenn Sie sich eine Erkältung zugezogen hätten.«
    Bridget hatte gerade das Zimmer betreten. Sie trug einen dicken Rock und einen Wollpullover. Sie lachte.
    »Ich habe Ihnen einen Kräutertee bringen lassen«, sagte Poirot ernst. »Haben Sie ihn schon getrunken?«
    »Nur einen Schluck. Mir fehlt nichts. War ich gut, Monsieur Poirot? Du liebe Güte, mir tut noch alles weh von dem Stangenkreuz, auf das ich mich legen musste, weil Sie es so wollten.«
    »Sie waren großartig, mein Kind, einfach großartig. Aber die anderen wissen noch nicht Bescheid… Letzte Nacht ging ich also zu Mademoiselle Bridget. Ich erzählte ihr, dass ich von eurer kleinen Verschwörung wusste, und ich fragte sie, ob sie für mich eine Rolle spielen würde. Sie war sehr geschickt. Für die Fußspuren benutzte sie ein Paar Schuhe von Mr Lee-Wortley.«
    Sarah fragte barsch dazwischen: »Was soll das, Monsieur Poirot? Was hat das für einen Sinn, wenn Sie Desmond wegschicken, damit er die Polizei holt? Sie wird wütend sein, wenn sie erfährt, dass alles nur ein Scherz war.«
    Poirot schüttelte leicht den Kopf.
    »Aber ich glaube nicht eine Sekunde lang, dass Mr Lee-Wortley die Polizei holt. Er will mit einem Mord nichts zu tun haben. Er verlor völlig die Nerven. Er dachte nur noch an eines: den Rubin zu bekommen. Er griff sich den Stein, gab vor, dass das Telefon kaputt wäre, und raste unter dem Vorwand, die Polizei zu holen, in seinem Auto davon. Ich bin überzeugt, dass er sich nicht wieder sehen lassen wird. Wie ich weiß, verfügt er über ein schnelles Mittel, aus England fliehen zu können. Er besitzt doch ein Flugzeug, nicht wahr, Mademoiselle?«
    Sarah nickte.
    »Ja«, sagte sie. »Wir dachten daran…« Sie sprach nicht weiter.
    »Er wollte Sie damit entführen, nicht wahr? Eh bien, das ist eine ausgezeichnete Methode, um Edelsteine aus dem Land zu schmuggeln. Wenn man ein Mädchen entführt und die Öffentlichkeit erfährt etwas

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