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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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kann es nicht. Ihr werdet sehr enttäuscht sein.«
    »Ach, bitte doch, Monsieur Poirot, erzählen Sie. Wie haben Sie es erfahren?«
    »Nun gut. Ich saß, müsst ihr wissen, vorgestern nach dem Tee in der Bibliothek am Fenster und ruhte mich in einem Sessel aus. Dabei schlief ich ein. Als ich aufwachte, spracht ihr ganz in meiner Nähe über euren Plan – nur draußen vor dem Fenster. Und das stand offen.«
    »Das ist alles?«, fragte Colin. Er ärgerte sich. »So einfach!«
    »Nicht wahr?«, sagte Poirot lächelnd. »Seht ihr, nun seid ihr enttäuscht.«
    »Na gut«, erwiderte Michael. »Jedenfalls wissen wir jetzt alles.«
    »Stimmt das tatsächlich?«, murmelte Poirot vor sich hin. »Ich weiß jedenfalls noch nicht alles, obwohl es doch meine Aufgabe wäre, über alles Bescheid zu wissen.«
    Er trat in die Vorhalle hinaus und schüttelte den Kopf. Wohl zum zwanzigsten Mal zog er aus seiner Tasche ein ziemlich schmutziges Blatt Papier hervor und las:
     
    ESSEN SIE NICHTS VON DEM PLUMPUDDING!
    JEMAND, DER ES GUT MIT IHNEN MEINT.
     
    Hercule Poirot schüttelte nachdenklich den Kopf. Er, der sich alles erklären konnte, fand für diese Warnung keine Erklärung. Was für eine Demütigung! Wer hatte den Zettel geschrieben? Aus welchem Grund war er geschrieben worden? Er wusste, er würde erst wieder Ruhe finden, wenn er dieses Rätsel gelöst hatte. Plötzlich schrak er aus seinen Überlegungen auf und hörte seltsam keuchende Laute. Aufmerksam sah er auf den Boden. Dort machte sich ein mit Schaufel und Besen bewaffnetes flachsblondes Wesen zu schaffen. Es starrte mit großen runden Augen auf den Zettel in seiner Hand.
    »Oh!«, rief die Erscheinung. »Oh! Bitte sehr!«
    »Wer sind Sie denn, mon enfant?«, fragte Poirot freundlich.
    »Annie Bates, bitte sehr. Ich helfe Mrs Ross. Ich wollte, ich wollte nichts – nichts Unrechtes tun. Ich habe es nur gut gemeint. Ich meine, ich wollte nur Ihr Bestes.«
    Poirot ging ein Licht auf. Er hielt ihr den schmutzigen Zettel hin. »Haben Sie das geschrieben, Annie?«
    »Ich wollte nichts Böses anrichten. Wirklich nicht, glauben Sie mir.«
    »Natürlich wollten Sie das nicht, Annie.« Er lächelte sie an. »Aber erzählen Sie mir bitte, warum Sie diesen Zettel geschrieben haben?«
    »Nun, da waren die zwei, Mr Lee-Wortley und seine Schwester. Ich wusste, dass sie in Wirklichkeit nicht seine Schwester war. Keiner von uns hat das geglaubt. Sie war auch kein bisschen krank. Das haben wir alle gewusst. Wir haben geglaubt, dass etwas nicht stimmt. Ich sage es Ihnen rundheraus. Ich war in ihrem Badezimmer, um saubere Handtücher hinzulegen, und habe an der Tür gehorcht. ›Dieser Detektiv‹, hat er gesagt, ›dieser Kerl, der Poirot, kommt hierher. Wir müssen irgendwas unternehmen. Wir müssen ihn so rasch wie möglich aus dem Weg räumen.‹ Dann hat er leiser gesprochen und sie in einem bösartigen Ton gefragt: ›Wo hast du das hingetan?‹ Und sie antwortete ihm: ›In den Pudding.‹ Ich bekam einen furchtbaren Schreck. Ich habe gedacht, mir würde das Herz aussetzen. Ich habe gedacht, dass die beiden Sie mit dem Weihnachtspudding vergiften wollten. Ich habe nicht gewusst, was ich tun sollte. Mrs Ross hätte auf jemanden wie mich nicht gehört. Da bin ich auf die Idee gekommen, Ihnen einen Zettel zu schreiben, um Sie zu warnen. Ich legte ihn auf das Kissen. Dort würden Sie ihn finden.« Annie konnte vor Atemlosigkeit nicht weiterreden.
    Poirot sah sie einige Minuten lang ernst an. »Sie sehen zu viele Gangsterfilme, glaube ich, Annie«, sagte er schließlich. »Oder vielleicht ist das Fernsehen daran schuld. Das Wichtigste ist aber, dass Sie eine gute Seele sind und eine gewisse Fantasie haben. Wenn ich wieder in London bin, werde ich Ihnen ein Geschenk schicken.«
    »Oh, danke, recht herzlichen Dank!«
    »Was möchten Sie gern haben, Annie?«
    »Kriege ich alles, was ich mir wünsche? Kriege ich wirklich das, was ich mir wünsche?«
    »Ja. Es muss sich natürlich in Grenzen halten«, antwortete Poirot vorsichtig.
    »Oh, könnte ich ein Kosmetiktäschchen bekommen? So ein wirklich todschickes, piekfeines Kosmetiktäschchen wie das von Mr Lee-Wortleys Schwester?«
    »Das ist interessant«, redete er leise und versonnen vor sich hin. »Vor einiger Zeit war ich im Museum und sah mir mehr als tausend Jahre alte Funde aus Babylon und ähnlichen Orten an – darunter waren auch Kosmetikschachteln. Die Frauen ändern sich im Grunde nicht.«
    »Wie bitte?«
    »Es war nicht wichtig«,

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